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Mythor - 023 - Befehle aus der Schattenzone

Mythor - 023 - Befehle aus der Schattenzone

Titel: Mythor - 023 - Befehle aus der Schattenzone
Autoren: Peter Terrid
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des Todes, der an diesem Ort eine Heimstatt hatte.
    Fast willenlos ließ sich Nyala durch die verwinkelten Straßen der Titanenstadt führen. Kreuz und quer schienen die Quader zu liegen, mal hochkant, mal quer, Stufen führten in die Tiefe und wenig später krumm und winkelig wieder in die Höhe. Es gab keinen Punkt, an dem der Blick sich hätte festhalten können, nur eine Dämmerwelt, deren Bestandteile sich jedem Zugriff entzogen. Bald wusste Nyala nicht mehr, ob sie aufwärts ging oder abwärts schritt.
    Für einen kurzen Augenblick dachte sie an Mythor, der fern von ihr war, dann aber kehrten ihre Gedanken zurück in die grauenvolle Wirklichkeit der Titanenstadt.
    Unvermittelt blieb der Anführer der Caer stehen. Er streckte die Hand aus. »Dorthin«, sagte er.
    Jedes Wort, das fiel, bereitete Nyala Unbehagen. Sie fühlte, dass sie immer tiefer verstrickt wurde in Dinge, die sie nicht verstand, nicht verstehen wollte. Was sich in diesen düsteren Klüften der Titanenstadt vollzog, war nicht gedacht für die Welt draußen, in der es auch Sonnenschein und Frohsinn gab. Dumpfe Bedrückung war die vorherrschende Stimmung in der Stadt der Caer.
    Einer der Novizen trat vor. Kreischend bewegte sich Metall, eine Tür schwang auf.
    »Hinein!« gebot der Caer.
    »Nein«, sagte Nyala. Sie hob abwehrend beide Hände. Niemand reagierte darauf. Nyala begriff, dass es gegen die Befehle der Caer keine Widerrede gab, dass sie alles würde tun müssen, was man ihr auferlegte. Sie trat vor.
    Ein paar krumme Stufen, fleckig von irgendeiner darauf vergossenen Flüssigkeit, führten in ein schwarzes Gewölbe hinab, eine Gruft in dieser seltsamen Stadt Gianton. So jedenfalls fühlte sich Nyala, als würde sie aufgefordert, freiwillig das eigene Grab zu betreten.
    »Nein«, jammerte sie flehentlich. Wieder gab es keine Reaktion der Caer.
    So stieg sie dann hinab in die drohende Schwärze, die Stufen hinunter, und sie wusste, dass niemand ihr folgte. Dann hörte sie wieder das hässliche Kreischen der Angeln, das harte Poltern des Türholzes, dann das Klirren, mit dem sich der schwere Schlüssel im Schloss drehte. Ein harter, kurzer Befehl, unverständlich gemacht durch die Dicke der Tür, dann noch einmal leises Waffenklirren.
    Stille brach über sie herein, die Stille des Grabes.
    Kein Laut war zu hören, nur das hämmernde Pochen ihres Herzens, die hastigen, angsterfüllten Atemzüge.
    »Wo bin ich?« fragte Nyala. Sie wollte nur die eigene Stimme hören, aber sie erschrak über den gespenstischen Widerhall in dem Raum.
    Langsam gewöhnten sich ihre Augen an das seltsame, erschreckende Licht. Der Raum war eckig, aber es war kein richtiger Grundriss zu erkennen. Er setzte sich vielmehr aus einer Unzahl gerader Flächen zusammen, als Schrägen in jeder nur denkbaren Richtung. Die Wände waren feucht, schwerer Modergeruch lagerte im Raum, und es war kalt. Dennoch wusste Nyala nicht, ob sie vor Kälte oder aus Angst zu beben begann.
    Im schwachen Lichtschein erkannte sie Zeichen auf den steinernen Wänden, verschwommene Konturen auf dem feuchten Fels, mit den Augen gerade noch erkennbar. Sie trat näher heran und streckte die Hände nach einem der Zeichen aus.
    Kalt war der Fels, und die Kälte schien aus der Wand heraus in ihren Leib zu strömen, ließ sie schaudern. Den noch folgte sie mit den Fingerspitzen den eingegrabenen Linien. Es waren Schriftzeichen, zum Teil jedenfalls, aber Nyala verstand nicht genug davon, um sagen zu können, was die Zeichen besagten. Sie vermochte nur zu ahnen, was mit den Linien ausgedrückt werden sollte, und dies zu spüren, bedurfte es keiner großen Einfühlsamkeit. Was konnte an den Wänden eines feuchtkalten Kerkers anderes geschrieben stehen als die stumm gewordenen Schreie derer, die vor Nyala hier geschmachtet hatten?
    Nyala tastete sich durch den Raum. Er war nicht groß, maß höchstens drei Schritt im Geviert. Es gab eckige Löcher in den Wänden. Durch einige blies der kühle Wind in den Raum, gesättigt von den Ausdünstungen der Stadt des Grauens, jenem ekelhaft anziehenden, betäubenden Geruch, der in Nyalas Nase hing, seit sie Gianton betreten hatte.
    Nyala tastete den Boden ab. War man besonders rücksichtsvoll zu ihr? Hatte man deswegen die Gebeine derer entfernt, die vor ihr verschmachtet waren in diesem grässlichen Verlies, elend vergangen vor Hunger, Verzweiflung oder schierer Angst?
    Der Boden war uneben, aber man konnte sich darauf ausstrecken. Er war auch feucht, aber feucht war
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