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Mummenschanz

Mummenschanz

Titel: Mummenschanz
Autoren: Terry Pratchett
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Pochen.
    Nanny lächelte.
    »Ah«, sagte sie. » Jetzt ist die Oper zu Ende.«
     
    Salzella öffnete die Augen.
    Leer und dunkel erstreckte sich die Bühne – trotzdem war sie hell. Ein gewaltiges, schattenloses Licht strömte von einer nicht lokalisierbaren Quelle herab, obgleich es, abgesehen von Salzella, nichts gab, das beleuchtet werden mußte.
    In der Ferne erklang das Geräusch von Schritten. Es dauerte eine Weile, bis ihr Verursacher sichtbar wurde. Als er in der wie flüssigen Luft vor Salzella stehenblieb, schien er in Flammen aufzugehen.
    Er trug rote Kleidung: einen roten Anzug mit roter Spitze, einen roten Umhang, rote Schuhe mit roten Schnallen sowie einen roten Hut mit breiter roter Krempe und einer langen roten Feder. In der einen Hand hielt er einen roten Spazierstock mit roten Bändern. Für jemanden, der seine Kleidung mit so großer Sorgfalt zusammengestellt hatte, war er bei der Maske erstaunlich nachlässig gewesen: Sie zeigte das schlichte Gesicht eines Totenschädels. So was konnte man praktisch an jeder Straßenecke kaufen. Salzella sah sogar das dünne Gummiband.
    »Wo sind die anderen?« fragte er. Unangenehme Erinnerungen an die jüngsten Ereignisse regten sich in ihm. Sie blieben undeutlich, ließen nur Schlimmes ahnen.
    Die Gestalt schwieg.
    »Wo ist das Orchester? Was ist mit dem Publikum passiert?«
    Die hochgewachsene rote Gestalt zuckte andeutungsweise mit den Schultern.
    Salzella bemerkte weitere Einzelheiten. Was er bisher für die Bühne gehalten hatte, war ein Boden, der aus feinem Schotter zu bestehen schien. Die Decke war weit entfernt – sie konnte gar nicht weiter entfernt sein –, und kalte Lichtpunkte glühten in ihr.
    »Ich habe dir eine Frage gestellt!«
    SOGAR DREI, WENN MAN’S GENAU NIMMT.
    Die Worte erschienen in Salzellas Ohren, ohne daß sie wie normale Töne reisen mußten.
    »Warum antwortest du nicht?«
    EINIGE DINGE MUSST DU SELBST HERAUSFINDEN, UND DIES IST EINS DAVON.
    »Wer bist du? Du gehörst nicht zum Ensemble! Nimm die Maske ab!«
    WIE DU WÜNSCHST. ICH LIEBE EINEN DRAMATISCHEN AUFTRITT.
    Die Gestalt nahm ihre Maske ab.
    »Und jetzt laß auch die andere Maske verschwinden!« rief Salzella und spürte die kalten Finger der Furcht.
    Tod drückte eine verborgene Taste am Stock. Eine Klinge sprang daraus hervor, so dünn, daß sie transparent zu sein schien. Ihre Schneide glitzerte blau, als sie Luftmoleküle in ihre atomaren Bestandteile zerteilte.
    OH, sagte er und hob die Sense. ICH SCHÄTZE, DA VERLANGST DU ZUVIEL VON MIR.
     
    Es war finster im Keller, aber Nanny Ogg war allein durch die seltsamen Höhlen unter Lancre gewandert und zusammen mit Oma Wetterwachs im nächtlichen Wald unterwegs gewesen. Eine Ogg fürchtete sich nicht vor der Dunkelheit.
    Sie entzündete ein Streichholz.
    »Greebo?«
    Stundenlang waren hier Leute umhergestapft, weshalb die Finsternis keine Geheimnisse mehr enthielt. Es hatte ziemlich lange gedauert, das ganze Geld nach oben zu schaffen. Bis zum Ende der Oper blieb der Keller in einen Schleier des Mysteriösen und Unheimlichen gehüllt. Jetzt gab es hier nur noch… nun, feuchte Kammern. Wenn hier irgend etwas gelebt hatte, so war es inzwischen weitergezogen.
    Nanny stieß mit dem Fuß an einen Topf.
    Mit einem leisen Stöhnen sank sie auf ein Knie. Schlamm und Tonsplitter lagen auf dem Boden. Hier und dort, teilweise zerbrochen, lagen einige tote Zweige.
    Nur ein Narr konnte auf die Idee kommen, in einem dunklen Keller Holzstücke in Schlamm zu stecken und zu hoffen, daß etwas daraus wuchs.
    Nanny griff nach einem Zweig und schnupperte daran. Er roch nach Schlamm und sonst nach nichts.
    Sie hätte gern gewußt, wie man es anstellte. Aus rein… beruflichen Gründen, gewissermaßen. Und sie wußte, daß sie jetzt nicht mehr mit Aufklärung rechnen durfte. Walter war ein sehr beschäftigter Mann, oben, im Licht. Wenn etwas neu begann, mußte etwas anderes enden.
    »Wir alle tragen Masken, von der einen oder anderen Art«, teilte sie der muffigen Luft mit. »Und es hat keinen Sinn, die Dinge erneut durcheinanderzubringen…«
     
    Die Kutsche fuhr erst um sieben Uhr morgens los. Nach Lancre-Begriffen war das praktisch Mittag. Die Hexen fanden sich schon früh an der Haltestelle ein.
    »Ich hatte gehofft, noch ein paar Andenken kaufen zu können«, sagte Nanny. Sie stampfte mit den Füßen auf, um sich warm zu halten. »Für die Kinder.«
    »Keine Zeit«, erwiderte Oma Wetterwachs.
    »Was eigentlich keine Rolle spielt, da
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