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Mordspech (German Edition)

Mordspech (German Edition)

Titel: Mordspech (German Edition)
Autoren: Oliver G. Wachlin
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wie nur möglich aus ihr herausbekommen.
    Claudine Stamm, Deckname Eva, wurde am 15. Dezember 1954 als Marianne »Marie« Bechtel in Berlin geboren. Ihre Eltern sind überzeugte Kommunisten, Vater Dr. Helmuth Bechtel ist Schulrat in Pankow, die Mutter Hannelore arbeitet in der Bezirksleitung der SED als höhere Verwaltungsangestellte.
    Marie Bechtel besucht die erweiterte Oberschule »Friedrich List« in Pankow, um ihr Abitur zu machen, als sich der stellvertretende Schuldirektor Edwin Paech in die außerordentlich hübsche Sechzehnjährige verliebt. Er stellt dem Mädchen nach, beginnt es zu erpressen – und wird ein Jahr später vergiftet im seinem Haus aufgefunden.
    Die Volkspolizei ermittelt Marie Bechtel als Täterin, sie gesteht die Tat, wusste sich nicht anders zu helfen, um den aggressiven Avancen des stellvertretenden Direktors zu entkommen.
    Das Ministerium für Staatssicherheit interessiert sich für die schöne, von der Justiz in Bedrängnis geratene Schülerin. Sie bekommt eine neue Identität als Claudine Stamm und darf zunächst eine Lehre als Maskenbildnerin an den DEFA -Filmstudios in Babelsberg machen. Später verschafft ihr das MfS einen Platz an der Uni Greifswald für den Studiengang Pharmazie, genauer »Experimentelle Pharmakologie und Toxikologie«. Ziel ist es, die »Giftmischerin« in der jungen Frau zu professionalisieren.
    Claudine Stamm absolviert ihr Studium mit Bravour und wird durch das MfS als » IM  Eva« auf hochrangige Persönlichkeiten des nichtsozialistischen Auslands angesetzt. Zunächst an der sogenannten Bettenfront.
    Claudines Aufgabe ist es, sich während der Leipziger Messe an westdeutsche Manager heranzumachen. Als Geliebte soll sie die Männer erpressen und aushorchen. Man erhofft sich davon, Aufschlüsse über westliche Technologien zu bekommen.
    1982 kommt es zu einem Zwischenfall mit dem Neusser ITEMA -Geschäftsführer Karl Heinz Noetzel. Zufällig enttarnt er seine attraktive Geliebte als Stasiagentin. IM  Eva reagiert schnell. Noetzel stirbt noch in der Nacht an »Herzversagen«.
    Marie Bechtel alias Claudine Stamm bekommt ein neues internes Kürzel. Ab sofort arbeitet IM  Eva als Tante Tilly und macht eine spezielle Schießausbildung am Dragunow-Scharfschützengewehr in der geheimen MfS-Ausbildungstätte Ützdorf bei Berlin.
    Die ITEMA war eine Tarnfirma des Ministeriums für Staatssicherheit und dem Bereich Kommerzielle Koordinierung, kurz KoKo, zugeordnet. Aufgabe der KoKo war es, Valuten für den stets klammen DDR -Haushalt zu erwirtschaften. Mit nicht immer legalen Mitteln. Als dem MfS bekannt wird, dass der zweite ITEMA -Geschäftsführer Fritz John Bruhn seit 1979 den westdeutschen Verfassungsschutz über konspirative Geldtransfers für die DKP informiert hat, muss auch er sterben. In Bruhns Verfassungsschutzakte findet sich das Abhörprotokoll einer brutalen Einschüchterung. So sagte im Januar 1981 das DKP -Mitglied Friedrich R. aus Bochum zu Bruhn: »Mach keinen Blödsinn, einen Kontakt zum Verfassungsschutz bekommt die Partei sowieso heraus. Die Folgen würdest du nicht überstehen.«
    Spektakulär ist auch der Mord an dem Geschäftsführer der Hamburger KoKo-Firma Ihle, Uwe Harms, dessen Leiche im April 1987 in einem Plastiksack gefunden wurde. Er hatte sich geweigert, kriminelle Waffengeschäfte zu machen, und wurde mit zwei Brustschüssen getötet. Spätestens mit diesem Mord wurde Tante Tilly zum gefürchteten Phantom.
    Im März 1988 stürzte in Leipzig Manfred Pulitzer in den Tod, der mehrere Jahre Generaldirektor der Ost-Berliner Stasi-Außenhandelsfirma Asimex gewesen war, um deren Belange sich KoKo-Vizechef Manfred Seidel persönlich gekümmert haben soll. Pulitzers Schwester sagte später der Leipziger Volkszeitung, die Familie sei seinerzeit aufgefordert worden, über den »Unfall« zu schweigen.
    Nach der Abwicklung des zunächst als Amt für Nationale Sicherheit weitergeführten MfS und dem Ende der DDR im Oktober 1990 wird es ruhig um Claudine Stamm.
    Sie will endlich ein normales Leben führen und baut sich eine neue Existenz als Pharmareferentin auf. Sie wünscht sich Kinder, ist aber unfähig, eine stabile Beziehung zu einem Mann einzugehen. Sie entschließt sich zu einer künstlichen Befruchtung und wird 1993 mit neununddreißig Jahren Mutter von eineiigen Zwillingen, die sie Hanna und Anna nennt. Wenig später wird sie auf einer Pharmamesse in Zürich von einem unbekannten Mann angesprochen, der wissen will, »ob Tante Tilly noch
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