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Mordsee

Mordsee

Titel: Mordsee
Autoren: Reinhard Pelte
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das war ihr klar. Zeit für einen Imbiss.
     
    *
     
    Als sie zurück war, öffnete sie als Erstes die Mailbox. Der Bericht war eingegangen. Gespannt unterzog sie ihn einer ersten Durchsicht. Danach sicherte sie die Datei auf dem Datenstick. Während sie das Dokument ein zweites Mal las, schüttelte sie immer wieder den Kopf. Sie fluchte, keinen Drucker zur Hand zu haben. Sie wünschte sich ein Papier, auf dem sie handschriftlich Anmerkungen und Gedanken hätte notieren können. Sie zügelte sich und las ein drittes Mal: langsam, Wort für Wort. Einige Passagen brannten sich ihr tief ins Gedächtnis. Sie musste Jung sprechen.
    Ihre Versuche, ihn ans Telefon zu kriegen, blieben erfolglos. Sie sprach ihm auf die Mailbox. Wahrscheinlich ging er spazieren und wollte nicht gestört werden. Das würde zu ihm passen, fluchte sie lautlos.
    Was konnte sie jetzt tun? Die beste Idee war, auf das Schiff zu fahren und erst einmal alles auszudrucken. Es war auch angezeigt, sich bei den Staatsanwälten sehen zu lassen, die am Nachmittag ihre Befragungen fortsetzen würden.
     
    *
     
    Während der Sitzung hatte sie den Bericht durchgearbeitet und sich Anmerkungen und Notizen gemacht. Nervös rollte sie den Bleistift zwischen ihren Fingern hin und her. Wie lange wollten die Staatsanwälte ihr Spiel eigentlich noch treiben? Sie sah auf die Uhr. Was machte Jung nur so lange?
    »Ich glaube, wir machen für heute Schluss«, hörte sie Halsbenning endlich sagen. »Morgen Vormittag sehen wir uns noch einmal. Dann informiere ich Sie über das vorläufige Ergebnis. Bis dann.«
    Der Kapitän und die Staatsanwälte erhoben sich und verließen die Kajüte. Sie folgte ihnen durch den schmalen Gang auf das Mitteldeck. Bevor sie die Gangway betrat, klingelte ihr Handy. Endlich.
    »Ich warte schon lange auf Ihren Rückruf, Chef.«
    »Was ist denn?«
    »Die Berichte liegen mir jetzt als Hardcopy vor. Ich glaube, ich bin auf etwas gestoßen, das Ihre Hypothese stützen könnte.«
    »Ach so! Gut. Wir treffen uns. Ich bin in der Stadt.«
    »Wo?«
    »In der Auberge du Trésor auf der Rue Ste-Anne am Place d’Armes. Wo sind Sie jetzt?«
    »Auf dem Schiff.«
    »Okay. Es ist nicht sehr weit. Werden Sie das Bistro finden?«
    »Ich habe den Stadtplan. Kein Problem.«
    »Gut. Ich warte. Bis gleich.«
    »Bis gleich, Chef.«
    Sie beeilte sich. Am liebsten wäre sie gelaufen. Aber auch so dauerte es nicht lange, bis sie Jung gefunden hatte. Die Auberge hätte auch in einer französischen Provinzstadt stehen können, eingeschossig, rotes Mansardendach mit Gauben, Sprossenfenster, grün-weiß gestreifte Markisen, ein schmiedeeisernes, heraldisch gearbeitetes Namensschild, bunte Blumengondeln an der Fassade und eine kleine Schultafel vor dem Eingang, auf der das Tagesangebot in Kreide und mit geübter Handschrift aufgeschrieben stand. Sie sah ihn schon von Weitem auf der Terrasse sitzen. Vor ihm auf dem Tisch ein Glas Weißwein.
    »Sie machen mich neugierig, Charlotte. Setzen Sie sich. Was möchten Sie trinken?«, begrüßte er sie.
    »Danke. Nichts. Später vielleicht.«
    »Okay. Dann mal los. Was haben Sie?«
    »Den Obduktionsbericht und die Liste der Hinterlassenschaften.« Sie legte die Papiere auf den Tisch.
    »Gut. Und da haben Sie etwas herausgefunden?«, lächelte Jung.
    »Nein. Ich habe etwas anderes. Den Bericht über den tödlichen Unfall des Matrosen. Der Sohn vom Steward. Sie erinnern sich?«
    »Ja. Aber … «
    »Darf ich kurz berichten? Dann werden sich viele Ihrer Fragen erledigen.«
    »Nur eine einzige vorweg. Wissen die Staatsanwälte davon?«
    »Nein. Absolut nichts.«
    »Gut, Charlotte. Ich höre.«
    »Ohne Unterbrechung?«
    »Ich schweige, bis Sie zu Ende sind. Versprochen.«
    »Danke. Also: Der Unfall des Matrosen wollte mir nicht aus dem Kopf gehen. Er erschien mir suspekt, zumindest merkwürdig. Nachdem ich den Kontakt zu Ihrem Vertrauensmann schon hergestellt hatte, bat ich ihn um den zweiten Untersuchungsbericht. Das ging sehr schnell.« Charlotte machte eine kurze Pause, um Jungs Gesichtsausdruck genauer zu studieren. Sie sah, dass er Mühe hatte, nicht dazwischenzureden. Sonst nichts.
    »Ich habe den Bericht durchgearbeitet«, fuhr sie fort. »Der Matrose ist morgens nach Sonnenaufgang, im Wasser treibend, tot aufgefunden worden. Der Todeszeitpunkt wird auf die Zeit zwischen 22 Uhr abends und ein Uhr morgens geschätzt. Die Bestimmung ist unsicher, weil er im Wasser trieb. Er hatte eine klaffende Wunde am Hinterkopf. Er ist ertrunken,
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