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Mord unter Freunden - Ernestam, M: Mord unter Freunden - Kleopatras Kamm

Titel: Mord unter Freunden - Ernestam, M: Mord unter Freunden - Kleopatras Kamm
Autoren: Maria Ernestam
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vor einigen Wochen aus Irland erhalten hatte. In ihm hatte Mari freimütig die Wahrheit über David erzählt. Was er ihr damals am Renvyle Point angetan habe. Er sei am Leben, und sie habe ihn getroffen.
    Anna empfand unendliche Trauer und Bitterkeit darüber,
dass ihr ihre Freundin die Wahrheit nicht schon früher anvertraut hatte. Dann dachte sie an Michelle Andrés Feststellung, Bitterkeit sei ein nutzloses Gefühl. Sie war schließlich auch von ihren Prinzipien abgewichen und unehrlich gewesen. Sie hatte ihren Mitmenschen also nichts vorzuwerfen.
    Aber Papa ging es gut. Hervorragend sogar. In seinem letzten Brief schrieb er, er gehöre jetzt dazu. Am Vormittag werde immer ein Spaziergang unternommen, am Nachmittag Karten gespielt. Vor einigen Tagen seien sie im Dorf in einem Konzert gewesen. Anschließend hätten sie noch die Kirche besucht. »Ich glaube, der hiesige Gott ist der verzeihendste und großmütigste, mit dem ich je zu tun hatte«, schrieb er weiter und kündigte dann an, dass er sich jetzt Computerkenntnisse aneignen wolle. »Dann können wir uns Mails schicken.« Gesundheitlich gehe es ihm gut, und sein Herz mache ihm auch nicht mehr zu schaffen. Vielleicht trug dazu ja auch die regelmäßige ärztliche Kontrolle bei.
    Herauszulesen war auch, dass sich Papa mit einer gewissen Ulla angefreundet hatte. Ulla hatte ihr ganzes Leben lang voller Zufriedenheit bei der Staatlichen Versicherung gearbeitet. »Ein guter Alltagsmensch«, schrieb Papa und fügte noch hinzu, dass das positiv zu verstehen sei, da ihm die Wochentage schon immer besser gefallen hätten als die Sonntage. Gegen Ende hatte er ganz nebenbei und lakonisch erwähnt, Iris wolle ihn besuchen. Sensationell daran war, und dessen war sie sich sehr wohl bewusst, dass »Iris« und »besuchen« in ein- und demselben Satz standen, und nicht der Umstand, dass er ihn mit drei Ausrufezeichen versehen hatte.
    Iris. Nach reifer Überlegung tat sie dann, was sie Mari angekündigt hatte, und nahm Kontakt zu ihrer Schwester auf. Sie erzählte, sie habe die Absicht, nach Amsterdam umzuziehen, sie wolle sich verabschieden und ihr so einiges erzählen. Ihre Schwester hatte sie eingeladen, ohne froh oder misstrauisch zu klingen. Als Anna auf den Hof einbog, kam Iris gerade
in Reithosen und verschwitzt nach einem langen Ritt aus dem Stall. Anna betrachtete ihre kräftigen Beine, ihre muskulösen Arme und die groben Züge ihres Gesichts. Iris hatte sich seit ihrer letzten Begegnung vor sieben oder acht Jahren kaum verändert. Trotzdem versetzte sie ihr Anblick wieder in Erstaunen. Dass dieses zarte und zum Tode verurteilte Geschöpf, das man in ihrer Kindheit und Jugend so hatte bemuttern müssen, so viel Widerstandskraft hatte entwickeln können, war entweder ein Wunder oder ein Beweis dafür, dass die Wege Gottes unbegreiflich waren.
    Iris nahm sie mit in den Stall und zeigte ihr die Pferde. Schroff, aber mit Begeisterung, erzählte sie ihr von Zuchthengsten und Fohlen, und Anna bewunderte die schönen Tiere und lobte Iris für ihre Arbeit. Sie sah in den Augen der Pferde Unruhe und Angst, aber auch Würde und eine über Jahrtausende aufgestaute Trauer über die verlorene Freiheit der grünen Weiten. Vorsichtig trat sie in eine Box und streichelte einem grauen Pferd das Maul. Das Pferd sah sie an und legte ihr den Kopf auf die Schulter. Sie nahm das Vertrauen als eine Gnade entgegen, und Iris meinte anerkennend etwas von »Naturbegabung«. Dann begann sie von der Geschichte und Psyche der Pferde zu erzählen.
    Anna, die Pferde immer für mutig gehalten hatte, erfuhr, diese seien stets zur Flucht bereit, bereit, sich nähernden Gefahren davonzugaloppieren. Die Steppe biete keinen Schutz, erklärte Iris. Ohne Bäume sei die Bedrohung allgegenwärtig. Deswegen müsse man auch beim Auflegen des Sattels aufpassen. Ein Pferd sei genetisch programmiert, mit der Gefahr von oben zu rechnen. Anna sah vor ihrem Auge geschmeidige Raubtiere, die einem Pferd die Krallen in den Rücken schlugen. Dann dachte sie daran, dass sie selbst drauf und dran war, zu fliehen, und dass das Pferd sie vielleicht deswegen verstanden hatte.
    Wenig später bat Iris sie ins Wohnzimmer. Anna wusste
nicht, wann sie zuletzt in einem so schmutzigen Haus gewesen war, gab sich aber Mühe, sich nichts anmerken zu lassen. Iris hatte den Putzfimmel gehabt und nicht sie. Iris hatte sich immer als Prinzessin verkleidet und ausdrucksvoll getanzt. Iris hatte immer still gesessen, abgeräumt und gespült.
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