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Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)

Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)

Titel: Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)
Autoren: Anne Perry
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Begriffe, auf die es zurückgeht, die damit verbundenen Vorstellungen.«
    Unmöglich konnte sie ihm das einfach so durchgehen lassen – nicht weil sie ihm nicht geglaubt hätte, sondern weil sie an ihm eine Arroganz wahrnahm, die sie als Provokation empfand.
    »Tatsächlich? Ich hätte gedacht, dass die entscheidenden Anstöße von Judäa ausgegangen sind«, sagte sie.
    Er lächelte und ging sogleich darauf ein, weil er ihr Interesse erkannte. »Gewiss, wenn es um die Wurzeln des Glaubens geht – aber nicht um die des Denkens, der Philosophie, der Liebe zur Weisheit anstelle eines verordneten Glaubens. Ich habe mich mit Bedacht für das Wort ›verordnet‹ entschieden, Mrs. Pitt.«
    Jetzt wusste sie genau, was er meinte. Sie begriff nicht nur, dass er für sie mit voller Absicht einen Köder ausgelegt hatte, sondern auch, dass er fest von dem überzeugt war, was er sagte. Die Leidenschaft in seiner Stimme war nicht gespielt.
    Lächelnd hielt sie seinem Blick stand. »Aha. Und wer in Europa trägt jetzt die Fackel dieser Philosophie?«, fragte sie herausfordernd. Sie wollte darauf unbedingt eine Antwort haben.
    »Tja.« Jetzt achtete er nicht mehr auf die anderen. »Eine interessante Frage. Das Deutsche Reich nicht, wo alles so glänzend herausgeputzt ist und man darauf wartet, nassforsch mutige Taten begehen zu dürfen. Frankreich eigentlich auch nicht, trotz seiner einzigartigen und faszinierenden Kultiviertheit. Italien, das den Keim zu großem Ruhm gelegt hat, wird inzwischen im Inneren von unaufhörlichen Streitereien zerrissen.« Er machte eine elegante Bewegung des Bedauerns.
    »Und wir?«, fragte Charlotte in etwas schärferem Ton, als sie beabsichtigt hatte. Sie hatte, ganz wider Willen, zugelassen, dass sie sich von ihm in ihrem Stolz gekränkt fühlte.
    »England? Abenteurer«, gab er ohne zu zögern zurück, »und in den Augen der Welt ein Volk von Krämerseelen.«
    »Heißt das, es gibt in der Gegenwart gar keine Erben?«, fragte sie, plötzlich enttäuscht. Es ärgerte sie, dass sie sich von ihm so vollständig hatte einfangen lassen.
    »Doch. Die Donaumonarchie«, sagte er so rasch, dass sie darin seine Empfindungen erkennen konnte. »Österreich-Ungarn. Es hat die Stellung des einstigen Heiligen Römischen Reiches geerbt, das nach dem Untergang Roms Europa im Geist des Christentums als einheitliches Ganzes zusammengehalten hat.«
    Sie war erstaunt. »Österreich? Ist das nicht eine baufällige Konstruktion, die an allen Ecken und Enden zerbröckelt? Oder hat man uns da etwa lauter Unsinn erzählt?«
    Ihre Worte belustigten ihn offensichtlich. In seinem Lächeln, mit dem er darauf reagierte, lag zwar eine gewisse Wärme, aber auch so viel unverhohlener Spott, dass es sie schmerzte.
    »Ich hatte geglaubt, Sie herausfordern zu können, und sehe jetzt, dass Sie dasselbe mit mir tun.« Er wandte sich an Pitt. »Ich habe Ihre Gattin unterschätzt, Sir. Jemand hat gesagt, dass Sie Leiter des Staatsschutzes sind. Sofern es sich so verhält, hätte ich mir denken müssen, dass Sie bei der Wahl Ihrer Gattin nicht nur nach dem Aussehen gegangen sind, und wenn es noch so bezaubernd ist.«
    Jetzt lächelte auch Pitt. »Damals hatte ich dies Amt noch nicht inne«, gab er zur Antwort, »aber trotzdem war ich so ehrgeizig und begierig, dass ich das Beste haben wollte, ohne dabei meine eigenen Grenzen zu bedenken.«
    »Ausgezeichnet!«, lobte Blantyre. »Man sollte seinen Träumen nie Schranken setzen, sondern ganz im Gegenteil nach den Sternen streben, mit ausgestreckten Armen und dem Blick auf das nächste Ziel leben und sterben.«
    »Evan, du redest dummes Zeug«, sagte Adriana gelassen, wobei sie zuerst zu Charlotte und dann zu Pitt sah, um deren Reaktion zu beobachten. »Hast du eigentlich keine Sorge, dass man dir glauben könnte?«
    »Glauben Sie mir, Mrs. Pitt?«, fragte Blantyre mit weit geöffneten Augen herausfordernd.
    Charlotte sah ihn offen an. Sie war ihrer Antwort gewiss und sagte: »Es tut mir leid, Mr. Blantyre, denn ich nehme an, dass Sie das nicht wollen – aber ja, ich glaube Ihnen.«
    »Bravo!«, sagte er ohne jeden Nachdruck. »Ich habe eine Kontrahentin gefunden, bei der sich die Mühe lohnt.« Zu Pitt gewandt fragte er: »Erstreckt sich Ihr Aufgabengebiet auch auf Beziehungen zu den Balkanländern?«
    Pitt sah zu Jack und Emily hinüber, die ein Stückchen weitergegangen waren und sich dort unterhielten, und dann wieder zu Blantyre. »Auf alles und alle, von denen eine Gefahr für die
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