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Mord im Garten des Sokrates

Mord im Garten des Sokrates

Titel: Mord im Garten des Sokrates
Autoren: Sascha Berst
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stürmisch.
«Nikomachos, Held des Tages, kommt herein!», sagte er überschwänglich und umarmte und küsste mich.
Thrasybulos führte uns in sein großes Feldherrnzelt. Es hatte sich verändert, seit ich es zuletzt betreten hatte. Von soldatischer Kargheit war nicht mehr viel zu sehen. Stattdessen erwarteten uns bestickte Kissen, mit Gold beschlagene Truhen und silberne Schüsseln voller Speisen. Kritias’ silberne Rüstung stand an einen Dreifuß gelehnt. Das Sonnenzeichen auf dem Brustpanzer schimmerte im Licht der Öllampen.
«Wie kann ich dir helfen, mein lieber Nikomachos?», fragte Thrasybulos und setzte sich in einen prächtigen Sessel. Er sah meinem Blick durch das Zelt wandern und nickte voller Stolz. «Dem Sieger der Schlacht gebührt der Preis, nicht wahr?», stellte er fest.
«Gewiss», antwortete ich, als mein Blick auf ein kleines Tischchen neben Thrasybulos’ Sessel fiel, wo zwei Becher standen. Zwei Becher! Ein eigentümlicher Geruch stand im Raum.
«Also, was führt dich zu mir? Sag es frei heraus. Ich weiß, den Sieg verdanke ich nicht zuletzt auch dir und deinem sicheren Auge. Wenn du dir etwas aussuchen möchtest?» «Ich begehre nichts für mich», antwortete ich kurz und konnte den Blick kaum von diesem Tischchen abwenden. «Ich spreche für Lykon, hier an meiner Seite. Du kennst ihn sicher.»
Thrasybulos nickte und zog eine Augenbraue hoch. Er würdigte Lykon keines Blickes.
«Lykon bittet um Kritias’ Leichnam, damit er ihn bestatten kann, wie es Sitte unter den Menschen und vor den Göttern ist», sagte ich. Thrasybulos strich sich über den Bart.
«Und du wünscht, dass ich ihm den Leichnam gebe, Nikomachos?»
«Das wünsche ich.»
Thrasybulos dachte eine Weile nach. Dann rief er plötzlich: «Hipparchos!»
Augenblicklich trat die Wache in das Zelt.
«Hipparchos, bring diesen Mann zu Kritias’ Leiche und sorge dafür, dass er sie unbehelligt mitnehmen kann. Er wird sie beerdigen», befahl Thrasybulos.
Hipparchos verbeugte sich und trat einen Schritt zurück. «Wenn du mit mir kommen möchtest», sagte er an Lykon gerichtet. Der sah kurz zu Thrasybulos und verneigte sich gleichfalls, wurde aber nur mit einer verächtlichen Handbewegung weggeschickt. Lykon verließ das Zelt, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Ich habe ihn nie wiedergesehen.
«Und du, Nikomachos, was wünschst du dir an diesem Tag deines Triumphes?», fragte Thrasybulos und riss mich aus meinen Gedanken.
«Ich wollte mit dir noch über Anaxos sprechen», sagte ich.
«Was ist mit ihm?», fragte Thrasybulos beiläufig, allzu beiläufig und griff nach einem der Becher. Ich folgte der Bewegung einen Wimpernschlag zu lange, als dass es ihm nicht auffallen konnte. Er sah mich an und lächelte, aber seine Augen blieben unbewegt.
Wir waren nicht allein, jetzt wusste ich es. Wir waren nicht allein! Die Stimmen, die ich gehört hatte, der Geruch, der im Zelt hing! Ich kannte beide, die Stimme der Schlange und den Geruch von Staub und feuchten Büchern!
«Sag es», befahl Thrasybulos.
«Er ist hier», antwortete ich.
Thrasybulos nahm einen Schluck und deutete ein Lächeln an.
«Komm heraus!», sagte er gelassen. Lautlos wie ein Gespenst trat der Herr der Spione hinter einem Wandschirm hervor und stellte sich neben seinen neuen Herrn.
«Du wirst dich nicht auch mit ihm einlassen?», fragte ich entsetzt, aber da hatte mir Thrasybulos’ gleichgültiger Blick die Antwort schon gegeben. Grußlos verließ ich das Zelt. Aspasia wartete – schon viel zu lange.
    Wir verließen Attika am nächsten Morgen. Der Tag war hell. Eine freundliche Herbstsonne hatte den Winter wieder in das Land jenseits des Nordwinds verbannt. Als ich mich vom Boot aus zu einem letzten Abschied umwandte, sah ich das große Standbild Athenes zwischen den Tempeln der Akropolis stehen. Ihr goldener Helm blinkte im Sonnenlicht.
wir ließen uns in Mazedonien nieder. Geschäftsfreunde bürgten für mich. Hier nahm ich die Arbeit meines Vaters wieder auf, hier reiften meine Söhne zu Männern und wurden meine Enkel geboren. Ich trieb wieder Handel und war darum fast jeden Tag am Hafen. Mit den Waren brachten die Schiffe immer auch Nachrichten über das Meer, und viele stammten aus Athen. So erfuhr ich, dass die Dreißig in den acht Monaten ihrer Herrschaft eintausendfünfhundert Männer ermordet hatten. Man stelle sich vor, eintausendfünfhundert, das waren mehr Opfer, als der Krieg gegen Sparta in den Jahrzehnten zuvor gefordert hatte.
    Thrasybulos wurde zum nächsten
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