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Mondlaeufer

Mondlaeufer

Titel: Mondlaeufer
Autoren: Melanie Rawn
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und Ianthe war vor vierzehn Jahren in Schloss Feruche umgekommen. Die dumme, harmlose Lenala und die schöne, ebenso intelligente wie gewissenlose Ianthe; sie standen für die Extreme unter Roelstras Nachkommen. Die anderen überlebenden Töchter musste man irgendwo dazwischen einordnen: Kiele war dumm, aber nicht harmlos, glücklicherweise auch nicht gerissen genug, um eine wirkliche Gefahr darzustellen. Naydra war intelligent genug, ihr Los bewusst zu akzeptieren. Pandsala nahm an, dass ihre Ehe mit Narat sogar glücklich war. Chiana andererseits war schön und intelligent und ein ständiges Ärgernis. Was die anderen anging, so konnte sich Pandsala nicht einmal erinnern, wie sie aussahen. Moria lebte friedlich in einem Gutshaus in den Bergen des Veresch; Moswen lebte teils in ihrem Stadthaus in Einar, teils besuchte sie Kiele in Waes und Danladi in Hoch-Kirat, die Tochter von Roelstra und Lady Aladra. Vor vierzehn Jahren, als Rohan zum Hoheprinzen ausgerufen wurde, hatte sich Danladi auf Stronghold mit Prinzessin Gemma angefreundet, die nach dem Tode ihres Bruders Jastri als Einzige aus dem Adelshaus Syrene übrig geblieben war. Prinz Davvi hatte seine kleine Cousine unter seinen Schutz gestellt, und Danladi wurde in Gemmas Gefolge aufgenommen. Aber egal, was die anderen Töchter von Roelstra taten, dachten oder zu tun gedachten – Pandsala wusste, dass sie keine Gefahr bedeuteten. Jede war auf ihre Weise schön und einigermaßen intelligent, doch keine stellte eine Bedrohung dar.
    Und Pandsala selbst? Sie lächelte leicht und hob die Schultern. Sie war weder so schön noch so gerissen wie Ianthe, aber dennoch war sie alles andere als dumm und hatte in den Jahren ihrer Regentschaft so manches gelernt. Sie fragte sich, ob ihre tote Schwester von ihrer Hölle aus (denn in irgendeiner Hölle musste sie gelandet sein) wohl Pandsalas gegenwärtige Stellung und ihren Einfluss sehen konnte. Pandsala hoffte es. Denn dieser Anblick würde Ianthe mehr foltern als alle auch nur erdenklichen anderen Strafen.
    Pandsalas dunkle Augen wurden zu Schlitzen und ihre Finger zu Krallen, wenn sie an Ianthe dachte. Obwohl ihr Ruin durch die Hand ihrer Schwester mehr als zwanzig Jahre zurücklag und sie sich längst gerächt hatte. Die letzte Geliebte ihres Vaters, Palila, war schwanger gewesen und sollte einige Zeit nach dem Rialla von 698 niederkommen. Doch für den Fall, dass sie früher dran sein sollte, waren drei hochschwangere Frauen in ihrer Begleitung. Sollte Palila den kostbaren männlichen Erben gebären, so wollte Ianthe diesen durch die Tochter einer der anderen Frauen ersetzen. Dies zumindest war der Plan, in den sie Pandsala eingeweiht hatte.
    Die Regentin stand von ihrem Schreibtisch auf, ging zu den Fenstern und starrte über die enge Schlucht, die der Faolain in die Berge gegraben hatte. Sie hörte das Wasser in der Tiefe rauschen, doch kein Laut des Alltagslebens in der Burg drang zu ihr hoch. Allmählich beruhigte sie sich wieder und konnte die Vergangenheit noch einmal aufleben lassen, ohne wieder in wilde Wut zu verfallen, ja sogar einigermaßen leidenschaftslos.
    Die meisten Leute hatten gemeint, sie verdiene, was ihr in jener Nacht vor langer Zeit geschehen war. Sie hatte Palila versprochen, falls diese ein weiteres Mädchen gebären sollte, dieses gegen den Knaben einer der Dienerinnen auszutauschen. Ein besonderer Trank sollte bei ihnen vorzeitige Wehen auslösen. Roelstra hätte seinen lang ersehnten Erben bekommen, Palila wäre die allmächtige Mutter dieses Erben geworden, und Pandsala hätte freie Bahn für ihre Jagd auf den jungen Prinzen Rohan gehabt. Beide Pläne waren wahnwitzige Vorhaben, die nur aufgehen konnten, wenn die ungeborenen Kinder das richtige Geschlecht hatten. Die Pläne waren so wahnwitzig, dass Ianthe Pandsala in der Nacht von Chianas Geburt skrupellos bei Roelstra denunzierte. Die schlaue Ianthe – Pandsala sah noch immer ihr Lächeln vor sich, als Roelstra seine eben geborene Tochter und Pandsala ins Exil in die Schule der Göttin verbannte. Ianthe wurde mit dem wichtigen Grenzschloss Feruche belohnt.
    Doch die wirkliche Ironie an dem allen war nicht, dass Pandsala durch Andrades Erziehung ihre Faradhi -Gaben erkannt hatte, auch nicht ihre gegenwärtige Machtposition. Das Lächerliche war, dass eine der Dienerinnen nur Augenblicke nach Ianthes Verrat tatsächlich einen kleinen Jungen zur Welt gebracht hatte. Wäre die Zeit auf ihrer Seite gewesen, so hätte nicht Ianthe, sondern
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