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Miss Seetons erster Fall

Miss Seetons erster Fall

Titel: Miss Seetons erster Fall
Autoren: Heron Carvic
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geschlichen hat, als alles ruhig war und er dachte, das ganze Dorf sei ausgeflogen. Wetten, daß er sich da versteckt hat und wartet, bis sie kommt? Vorher wäre es ja nicht gegangen, wo doch die Polizei überall im Haus und im Garten war. Für mich ist alles sonnenklar. Sowie sie zurück ist – und verlaß dich drauf, daß sie sich ein Polizeiauto unter den Nagel reißt und nicht mit dem Bus fährt, wie alle anderen –, sowie sie zurück ist, stecken sie und der junge Kerl drüben die Köpfe zusammen, und dann gibt’s neuen Ärger. Du wirst sehen.«
    Nun ja, es war vorbei, und es war nicht einmal so schlimm gewesen, wie sie befürchtet hatte. Unangenehm, natürlich, daß sie gegen den jungen Rothaarigen hatte aussagen müssen, von dem anscheinend niemand wußte, wie er hieß und dessen Verteidiger fast unverschämt geworden war, als er versucht hatte, es so hinzustellen, als wären sie und dieser nette Lastwagenfahrer schuld daran, daß er einen Gehirnschaden davongetragen hatte – der Rothaarige, nicht der Verteidiger –, weil sie ihn hinten in seinem Lieferwagen hatten herumrollen lassen. Aber das hatte ja nicht lange gedauert, und sie selber war, wie sie betont hatte, viel länger drin herumgerollt. noch dazu mit einem Sack über dem Kopf, und ihr Gehirn hatte keinen Schaden genommen, nur ihr Hut. So war es ziemlich rasch gegangen. Der Richter – ein so verständnisvoll aussehender Mann – hatte alles sehr klar zusammen gefaßt. Und dann hatte sie geglaubt, daß man lange warten müßte, während sich die Jury zur Beratung zurückzog, aber das stimmte gar nicht. Vielleicht war es nicht nötig gewesen, weil die Verhandlung so kurz war. Und was für ein Glück, außerdem, daß sie nachmittags bei Mr. Trefold Mortons Prozeß schließlich doch nicht als Zeugin aufgerufen worden war. Obwohl man natürlich hatte warten müssen, für alle Fälle. Aber er hatte anscheinend zugegeben, Geld veruntreut zu haben – wirklich, höchst empörend bei einem Mann in seiner Position. Jedenfalls, bei Veruntreuung hätte sie ihm gar nicht helfen können, denn sie hatte keine Ahnung gehabt, daß er so etwas machte.
    Der Polizeiwagen hielt vor Sweetbriars, Miss Seeton stieg aus und dankte dem Fahrer, der herausgesprungen war, um ihr die Tür aufzuhalten. Er lächelte ihr zu, grüßte, stieg wieder ein und brauste davon.
    So rücksichtsvoll von ihnen, ihr einen Wagen gegeben zu haben. Sie war doch ziemlich müde, offen gestanden. Ogott-ogott – hätte sie dem Mann ein Trinkgeld geben müssen? Man wußte es nie so recht. Er hatte nicht so ausgesehen, als ob er eines erwartete. Andererseits, normalerweise erwarteten gerade die eines, die gar nicht wie Trinkgeldfiguren aussahen. Nein, natürlich: Polizeibeamten gab man nie Trinkgeld. Das wäre Bestechung, hieß es. Obwohl es, wie sie gelesen hatte, in manchen Ländern üblich war. Und natürlich in Amerika, aber dawar das System wahrscheinlich ganz anders.
    Miss Seeton stand einen Augenblick zufrieden und glücklich da und betrachtete ihr Häuschen, ehe sie das kurze Stück zur Tür ging, um aufzuschließen.
    Wie schön, wieder zu Hause zu sein. Wenn man sich überlegte, daß sie schon in drei Tagen nach London zurück mußte und das neue Schuljahr anfing. Wie rasch die Zeit vergangen war! Sie war nicht einmal dazu gekommen, etwas über Gartenbau zu lernen, wie sie vorgehabt hatte. Immerhin, diese letzte Woche, nach der schrecklichen Sache am Teich, war sehr friedlich gewesen. Die arme Mrs. Venning. Wie gut, daß sie über den Berg war. Und doch. man fragte sich, ob es anders nicht besser gewesen wäre. Hätte man doch nicht eingreifen sollen? Schwer zu sagen. So war es eben – man handelte immer impulsiv, ohne wirklich an die Folgen zu denken. Dr. Knight hatte ihr gesagt, Mrs. Venning habe jetzt einen vollständigen Nervenzusammenbruch gehabt und man habe sie per Flugzeug in ein Sanatorium in die Schweiz gebracht. Die andere Umgebung würde ihr helfen, Abstand zu gewinnen. Und die Luft dort, natürlich – so herrlich rein. Ach, du liebe Zeit, was war das?
    Ein langes, schmales Paket lag auf dem Tisch im Flur. Miss Seeton nahm es in die Hand. Wer konnte da nur. Sie erinnerte sich nicht, etwas bestellt zu haben. Hübsch verpackt. Mit diesen praktischen Klebestreifen, die es so gut zusammenhielten und so schnell und leicht anzubringen und so langsam und – verflixt noch mal – eigentlich gar nicht abzukriegen waren.
    Endlich kam ein schmaler weißer Karton zum Vorschein.
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