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Mindstar 02 - Das Mord-Paradigma

Mindstar 02 - Das Mord-Paradigma

Titel: Mindstar 02 - Das Mord-Paradigma
Autoren: Peter F. Hamilton
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Höflichkeiten im Moment gar nicht übertreiben.
    Eine Pressekonferenz hatte stattgefunden, um bekanntzugeben, daß er aus der Haft entlassen würde, daß er überhaupt nichts mit dem Mord an Edward Kitchener zu tun hatte. Die Reporter hatten lärmend Details gefordert, aber er hatte keine Fragen beantwortet, sondern nur gesagt, daß er sich freute, es hinter sich zu haben, daß die Polizei seiner Meinung nach unter schwierigen Umständen gute Arbeit geleistet hätte und er nicht plante, sie wegen fälschlicher Inhaftierung zu verklagen. Amanda Paterson und Jon Nevin hatten sich scharf eingemischt, um jede peinliche, gebrüllte Frage abzuwehren. Und von da an ließ ihn die Presse erstaunlicherweise in Ruhe; niemand mischte sich in sein Privatleben ein, verfolgte seine Eltern oder Emma oder bot das dicke Geld für Exklusivrechte. Das lag an Julia Evans, wie er vermutete. Es freute ihn ziemlich, sich ausrechnen zu können, daß solch hintergründiger Druck im Spiel war. Der alte Nicholas hätte dieses mangelnde Interesse gedankenlos hingenommen und sich nie Gedanken über die schnellen Manöver und den Kuhhandel gemacht, die tief unter der für die Öffentlichkeit noch erkennbaren Oberfläche abgelaufen sein mußten.
    Er lächelte. Der alte Nicholas – als wäre er aus einem Kokon wiedergeboren worden. Aber es stimmte durchaus. Die Welt war genau wie vorher, nur seine Wahrnehmung von ihr hatte sich verändert. War reifer geworden, genauer gesagt. Wie nannten sie das? Realpolitik. Und seine erste Begegnung mit diesem Phänomen hatte vor zwei Tagen stattgefunden, an dem Morgen, als Vernon Langley ihn aus der Zelle geführt und ihm gesagt hatte, er wäre frei.
    Greg Mandel war auch da gewesen, bekümmert und müde, und hatte ihm erzählt, was wirklich passiert war. Ein Geheimhaltungsbefehl mußte unterschrieben und mit Daumenabdruck bestätigt werden, und man machte ihm sehr deutlich, daß er nie wieder mit irgend jemandem über Paradigmen oder retrospektive Neurohormone sprechen dürfe. Offiziell hatte MacLennan Liam Bursken für die fragliche Nacht aus Stocken Hall herausgelassen und ihn nach Launde gebracht, um Kitchener zu ermorden.
    Bursken war überhaupt nicht mehr zu erreichen und konnte somit seine Unschuld nicht beteuern, wollte es vielleicht nicht einmal – sollten die Sünder ruhig glauben, der Herr könnte selbst durch Stahlgitter nach ihnen greifen.
    MacLennan war tot. Selbstmord, sagte Greg. Und ein Blick in sein versteinertes, regungsloses Gesicht hatte sogar Nicholas in seiner ständigen Wißbegierde bewegt, stillschweigend darüber hinwegzugehen.
    Es war ein wirklich billiger Preis für die Rehabilitation, sich an dieser speziellen Maskerade zu beteiligen.
    Nicholas kippte die letzte Schublade voller Socken über dem Bett aus. Es regnete wieder ziemlich stark, und dicke Wolken verdunkelten den Morgenhimmel. Wenn doch nur schon April wäre, der Beginn des langen Sommers in England! Als er ans Fenster trat, konnte er gerade eben noch den schmuddeligen grauen Streifen der Straße sehen, die sich durch den Park zog.
    Abendzeit, als der Regen wie eine biblische Sintflut fiel. Der Jeep, der den Abhang zum Fluß hinunterkroch. Das kräftige Aufleuchten, das er für einen Blitz gehalten hatte.
    Ihn schauderte, und er wandte sich ab.
    Die Kakteen auf der Kupferplatte des Tisches waren seit mehr als einer Woche nicht mehr gegossen worden; die Erde in den Töpfen war knochentrocken. Und er hatte sie nie so blühen gesehen, wie Kitchener es ihm geschildert hatte.
    Er entschied, ein paar mitzunehmen. Irgend etwas von dem alten Mann mußte bei ihm bleiben, irgendein greifbares persönliches Andenken. Und er bezweifelte, daß er bei Rosette jemals willkommen sein würde, um das Baby zu besuchen. Obwohl man nie wissen konnte. Vielleicht machte die Mutterschaft sie weicher …
    Nee. Keine Chance!
    Lächelnd hob er zwei der Kakteentöpfe auf.
    Jemand klopfte leise an die Tür.
    »Kommen Sie rein.« Er stellte die Kakteen wieder ab und rechnete damit, den uniformierten Polizisten zu sehen.
    Es war Isabel.
    Er starrte sie benommen an und bekam kein Wort heraus.
    Der alte Nicholas war also doch nicht so weit zurückgeblieben.
    Sie trug ein lavendelfarbenes Kleid und hatte das lockige Haar mit einem breiten schwarzen Samtband gebändigt. Schön wie immer. Es war so schmerzlich, sie nur anzusehen. Alles, was er sich je gewünscht hatte. Unerreichbar.
    »Hallo, Nick.«
    »Ah, hallo. Ich suche nur meine Sachen zusammen.«
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