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Milchrahmstrudel

Milchrahmstrudel

Titel: Milchrahmstrudel
Autoren: Mehler Jutta
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fügte ein »Schade« hinzu.
    »Ja dann«, sagte der Hausmeister, weil sich Fanni nicht von der Stelle rührte. Sie hatte in einer Ecke einen riesigen grauen Müllsack entdeckt, der prall gefüllt und oben zugebunden war. Er lehnte schräg im Winkel der beiden Außenwände, machte aber den Eindruck, als wolle er nicht mehr lange stehen bleiben. Aus jener Ecke schien auch das Brummen zu kommen.
    Fanni gelang es nicht, den Blick von dem Müllsack loszureißen.
    »Herr Bonner kommt nicht mehr«, sagte der Hausmeister.
    »Und wer kommt jetzt?«, fragte Fanni.
    »Hä?«
    »Wer ist denn gestorben? Sie dekorieren doch gerade neu.« Fanni deutete auf zwei Bodenvasen, in denen Asparagus und je drei weiße Lilien steckten, die sie für künstlich hielt.
    »Gestorben? Hä? Der Nächste halt.«
    Fanni hatte den Raum betreten und bewegte sich unauffällig in Richtung des Müllsacks. Dazu musste sie an einem Möbelstück vorbei, das sich an der rückwärtigen Wand befand und mit einem Gobelin zugedeckt war, auf dem ein Asparagus-Lilien-Bukett lag.
    Hört es sich nicht so an, als käme das Brummen direkt aus dem Gobelin?
    Klar, begriff Fanni, der Kasten darunter ist die Quelle des Brummens.
    Plötzlich zog sie die Nase kraus.
    Die Lilien auf dem verhüllten Kasten, die Fanni ebenfalls für künstlich hielt, verströmten einen intensiven Geruch nach … Wonach bloß?, fragte sie sich.
    Nach parfümiertem Kompost!
    Ja, dachte Fanni, süßlich und ein bisschen faulig.
    Sie vermutete, dass das Bukett als Blumenschmuck für den Verstorbenen vorgesehen war, der gleich hier aufgebahrt werden sollte.
    »Hä …«, machte der Hausmeister.
    Fanni lächelte ihn an. »Was für ein wunderhübsches Bukett.«
    »Abschiedsgruß von der Heimleitung«, erklärte der Hausmeister daraufhin griesgrämig, nahm einen Besen und fing an, den Fußboden zu fegen.
    Fanni stand jetzt neben dem Müllsack. Sie stieß mit der Fußspitze dagegen, was ihn ein Stückchen weiter in die Schräge rutschen ließ.
    »Fällt ja eine Menge Müll an, in so einem Aussegnungsraum«, sagte sie.
    Der Hausmeister rückte mit seinem Besen näher. »Verwelktes Gewächs, verdreckter Zellstoff, stinkt wie der Teufel, das Zeug.« Er packte den Müllsack, der offensichtlich schwer war, und schleifte ihn zur Tür.
    Fanni folgte ihm. »Wo bringen Sie –?«
    Der Hausmeister ließ sie nicht ausreden. »Gute Frau, Sie stehn hier im Weg. Ich muss da drin jetzt fertig werden. Hab nicht den ganzen Tag Zeit, hä.« Er ließ den Müllsack los, der umkippte und als Hügel auf dem Boden liegen blieb.
    »Entschuldigen Sie, dass ich Sie gestört habe«, erwiderte Fanni und legte eine Hand auf den Hügel. Sie fühlte Drahtgeflecht, dicke, harte Stängel und weiche, runde Klumpen.
    Was du fühlst, ist das verwelkte Bukett, das Herrn Bonners Leiche geziert hat! Die Lilien sind eben doch echt, sie riechen ja auch! Hast du wirklich gemeint, in dem Müllsack steckt Roland drin? Du hast sie doch nicht alle, Fanni!
    Fanni verdrückte sich.
    Sie trottete den Gang zum Schwimmbad hinunter, schaute in die leere Halle, blickte auf die unbewegte Wasserfläche.
    Gleich fünf! Es ist Abendessenszeit! Da geht keiner baden! Vermeintlich tote Pfleger schon gar nicht!
    Fanni kehrte um und beschloss, noch in der Kapelle und im Kaffeestüberl nachzusehen. Irgendwo musste Roland doch sein. Weit konnte er sich nicht geschleppt haben mit einer Wunde mitten in der Brust.
    Sie fand nirgends eine Spur von ihm.
    Du solltest dich mal lieber auf den Weg zu Tante Luise machen.
    Tante Luise!
    Allerdings! Sie wartet schon seit einer guten Stunde auf dich! Willst du die Suche nach dem Pfleger-Phantom nicht vorerst einstellen?
    Fanni jagte die Treppe hinauf.
     
    Hans Rots Tante war mit ihrem Rollstuhl an den Esstisch gerückt worden und schaufelte sich gerade einen großen Brocken, von dem weiße Soße troff, in den Mund.
    »Milchrahmstrudel«, sagte sie mit vollen Backen.
    Liegt, wie es scheint, in der Familie, diese Unart, dachte Fanni. Hans Rot schluckt auch nie, bevor er spricht.
    Ihr Blick wanderte von den kauenden Kiefern abwärts, und wie immer, wenn sie Luises Aufmachung sah, musste sie sich das Lachen verbeißen.
    Luise trug einen rosafarbenen Pulli mit Applikationen aus Silberpailletten. Über ihren Knien lag eine rosa Häkeldecke; die Füße, die darunter hervorlugten, steckten in rosa Pantöffelchen, deren oberer Rand mit rosa Federn verbrämt war.
    Fanni hatte sich schon ein paarmal gefragt, ob Luise dieses Faible
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