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Milchmond (German Edition)

Milchmond (German Edition)

Titel: Milchmond (German Edition)
Autoren: Herfried Loose
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jetzt!« Er hatte sein sonderbar verschmitztes Lächeln aufgesetzt. Julia kannte diesen Gesichtsausdruck, den hatte er immer, wenn er irgendeine Schelmerei ausheckte.
   »Könnte es eventuell möglich sein, dass du etwas planst, das ich nicht wissen soll?« Drohend erhob sie zum Spaß ihre Stimme. Johannes setzte seine unschuldigste Miene auf und sah ihr kurz über den Rand seiner Brille in die Augen.
   »Nö, wie kommst du darauf?«
   »Ich kenne dich schon ein paar Tage länger, Johannes Steffens. Mir machst du nichts vor, aber ich warne dich: Ich bin für weitere Überraschungen jetzt überhaupt nicht empfänglich!« Wie immer, wenn sie zusammen waren, kam das Gespräch selten zum Stillstand, und so erschien es ihr, als sie in Johannes Dorf ankamen, als seien seit der Abfahrt von Blankenese nur Minuten vergangen.
  Die Sonne senkte sich dem westlichen Horizont entgegen und noch einmal schickte sie ihre goldenen Strahlen in die Welt. Der goldene Wetterhahn auf der Kirchturmspitze glühte für Sekunden gleißend hell im Sonnenlicht auf, wie, um sie zu begrüßen.
   Der Wagen war noch nicht zum Stillstand gekommen, als die Tür des Hauses auch schon aufflog und Claudius mit fröhlichem Gesicht auf sie zulief, um seine Tante zu begrüßen. Er riss die Beifahrertür auf und kletterte wieselflink auf ihren Schoß. Derart beengt und jeder Sicht beraubt, blieb ihr nur die Kapitulation. »Tante Julia, Tante Julia!«, jubelte der Kleine mit kreischender Kinderstimme und hielt ihr seine Schnute zum Küssen hin. Sie herzte ihn, um ihn dann, nach Luft ringend, aus dem Auto hinaus zu bugsieren. Endlich bekam sie wieder Luft und konnte aussteigen. Seinem Vater schenkte Claudius keinerlei Beachtung, nur Tante Julia war ihm wichtig!
   Im Hintergrund kam nun wesentlich zurückhaltender und ein wenig schüchtern, Anna-Lena aus dem Haus. Durch das Küchenfenster sah Julia ihre Schwägerin Karen emsig in der Küche hantieren und ihr Zeichen geben, dass sie gleich käme, um sie zu begrüßen. »Hallo Anna-Lena, mein Schatz, wie schön dich zu sehen! Wie geht es dir?« Als Antwort kam ihr obligatorisches »Guuuut!«
   Sie umarmten sich stehend, die Zwölfjährige reichte ihr mit ihrem Scheitel nun schon bis unter das Kinn. Sie hielten sich einen Moment innig umschlungen. Johannes hatte ihre kleine Reisetasche und sein Notfallgepäck in den Händen und drückte sich an ihnen vorbei, ins Haus. 
   Karen kam zur Küchentür heraus, sich die Hände an der weißen Schürze abwischend. Ihr offenes, freundliches Gesicht nahm Julia kritisch in Augenschein.
   »Wir haben uns Sorgen um dich gemacht. Wie schön, dass du mit Johannes hierher, zu uns, gekommen bist. Herzlich willkommen, liebe Schwägerin!« Es gab Bussis links und rechts und dann forderte Karen auch schon auf, sich zu Tisch zu setzen. Sie wären mit dem Abendessen schon spät dran und zur Feier des Tages, gäbe es heute ein warmes Abendessen. Punkt!
   Julia sah ihren Bruder bedeutungsvoll an und deutete auf ihren Bauch. Was heißen sollte: Uff, schon wieder essen? Gerade hatten wir Apfeltorte und Tee! Johannes machte eine Geste der Ohnmacht und deutete ins Wohnzimmer an den gedeckten Tisch. Karen hatte sich angesichts der vorgerückten Stunde entschieden, etwas Leichtes zuzubereiten, da die Kinder es nicht gewöhnt waren, abends warm zu essen.
   Danach war es für Claudius an der Zeit, in die Klappe zu gehen, wie sein Vater es immer nannte. Julia stand auf, nahm den Kleinen an die Hand und sagte zu den Übrigen: »Wir sagen Bescheid, wenn wir fertig sind, und dann dürft ihr zum Gutenachtkuss nach oben kommen, oder Claudius?« Er nickte geschäftig und zog seine Tante die Treppe hinauf zu seinem Zimmer.
   Nachdem die Zubettgeh-Prozedur beendet war, verkrümelte sich auch Anna-Lena in ihr Zimmer. Karen war mit der Küche fertig und Johannes verzog sich in sein Arbeitszimmer.
   »Er muss noch an der morgigen Predigt feilen, hat er gesagt. Ist doch gut, dann haben wir beide ein wenig Zeit für uns. Trinken wir ein Glas Rotwein zusammen?«
   »Oh ja, gerne«
   »Ich hole Gläser und Wein, steckst du bitte schon einmal den Kamin an? Es ist alles vorbereitet; du musst nur noch das Zeitungspapier anzünden! Streichhölzer liegen auf dem Sims!« Das war typisch Karen: Immer unkompliziert und bestens vorbereitet. Das schienen wohl auch unabdingbare Voraussetzungen zu sein, um ein Familienleben so entspannt führen zu können, wie die
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