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Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit

Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit

Titel: Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit
Autoren: Thomas A. Barron
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Und ich fürchtete immer mehr, dass mein größter Wunsch nicht in Erfüllung gehen würde.
    Gerade fragte ich mich, ob ich den Mond überhaupt noch sehen konnte oder ob ich mir den blassen Schimmer nur einbildete, da
     türmte sich ein neuer Schatten vor uns auf. Größer und mächtiger als alle anderen Bäume stand er da mit der ganzen Herrlichkeit
     von Dagdas Baum der Seele. Hier endlich war Arbassa. In ihren enormen Zweigen saß leuchtend wie ein Stern das luftige Haus,
     das Elen mit den Saphiraugen beherbergte.
    Shim bückte sich tief und legte die Hand auf die knorrigen Wurzeln der Eiche. Ich fasste meinen Stock und sprang zu Boden,
     gefolgt von Rhia und einem stolpernden Bumbelwy. Mit einem Dankesruf wandte ich mich Arbassa zu und hoffte, dass der Baum
     sich diesmal nicht sträuben würde mich einzulassen.
    In diesem Moment gab der mächtige Stamm einen tiefen, knirschenden Laut von sich. Die Rinde faltete sich, knackte und öffnete
     sich. Ich stürzte durch den Eingang. Zwei Stufen auf einmal nehmend rannte ich hinauf und ließ mir noch nicht einmal Zeit,
     einen Blick auf die Runenan den Wänden zu werfen. Als ich oben durch den Blättervorhang sprang, kreischte Ixtma, das großäugige Eichhörnchen. Es fuhr
     herum und ließ eine Schüssel mit Wasser fallen. Dann sah es Rhia direkt hinter mir und huschte laut plappernd zu ihr.
    Elen lag mit geschlossenen Augen auf dem Boden, wie wir sie verlassen hatten. Dasselbe Kissen, das nach Tannennadeln duftete,
     stützte ihren Kopf, dieselbe glänzende Decke bedeckte ihre Brust. Doch als ich meinen Stock weglegte und mich neben sie kniete,
     sah ich, dass sich viel verändert hatte. Ihre einst cremefarbenen Wangen waren weißer als getrocknete Knochen; ihre Stirn
     zeigte die Falten langen Leidens. Sie erschien viel dünner, so schmal wie der verschwindende Mond. Ich legte den Kopf auf
     ihre Brust und hoffte ihren Herzschlag zu hören, doch da war nichts. Ich berührte ihre aufgesprungenen Lippen, um wenigstens
     einen leichten Atemhauch zu spüren, wieder nichts.
    Rhia hockte sich neben sie, ihr Gesicht war fast so bleich wie das unserer Mutter. Reglos sah sie zu, wie ich in mein Bündel
     griff und die Phiole mit dem Elixier herausholte. Im Lichtschein der Feuerstelle blitzte das Fläschlein glänzend rot, die
     Farbe von Dagdas Blut. Der ganze Raum war in einen scharlachroten Schimmer getaucht.
    Ich konnte selbst kaum atmen, als ich das Elixier meiner Mutter in den Mund träufelte.
Bitte, Dagda, ich flehe dich an. Lass es nicht zu spät sein. Lass sie nicht sterben.
    Ich bemerkte kaum, dass Ixtma wimmerte und den buschigen Schwanz um Rhias Bein legte. Oder dass Bumbelwy hereinkam und betrübt
     den Kopf schüttelte. Oderdass die ersten Strahlen des Morgengrauens die Blätter an den Ostfenstern berührten. Aber dann nahm ich mit allen Sinnen wahr,
     dass meine Mutter die Augen aufschlug.
    Sie sah Rhia und mich und schrie überrascht auf. Eine schwache Röte stieg in ihre Wangen. Sie holte vorsichtig Luft und hob
     jedem von uns eine matte Hand entgegen. Wir nahmen ihre Hände in unsere und drückten sie. Tränen stiegen mir in die Augen,
     Rhia schluchzte leise.
    »Meine Kinder.«
    Rhia lächelte durch Tränen. »Wir sind jetzt da . . . Mutter.«
    Elen runzelte leicht die Stirn. »Vergib mir, Kind, dass ich es dir nicht gesagt habe, bevor du gingst. Ich dachte, dass dann
     dein Schmerz zu groß wäre, wenn ich sterben würde.«
    »Du hast es mir nicht zu sagen brauchen.« Rhia berührte das Amulett aus Eiche, Esche und Weißdorn auf ihrer Brust. »Ich wusste
     es schon.«
    Ich stieß sie an und grinste. »Alles, was dieses Mädchen über Instinkte weiß, hat sie von mir gelernt.«
    Wir lachten, Mutter und Tochter und Sohn, als hätte es die Jahre der Trennung nie gegeben. Denn selbst wenn wir eines Tages
     gezwungen sein würden uns wieder zu trennen, trugen wir jetzt eine einzige, unabänderliche Wahrheit im Herzen. An diesem erwachenden
     Tag in den Ästen dieses großen Baums saßen wir zusammen. Endlich wieder vereint.
    Erst nach viel Gelächter und noch mehr Gespräch machten wir eine Pause und aßen ein herzhaftes Frühstück aus Ixtmas honiggetränkten
     Nüssen, dazu Rosmarinteemit viel Minze. Und erst nach meiner fünften Portion fiel mir der glänzende Gegenstand an der Feuerstelle auf. Die blühende
     Harfe lehnte mit leuchtenden magischen Saiten an der Wand aus lebendem Holz. Plötzlich hielt ich den Atem an. Hinter der Harfe
     waren noch einige
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