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Mein wirst du sein

Mein wirst du sein

Titel: Mein wirst du sein
Autoren: Katrin Rodeit
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heulte auf.
    »Mutter, ich verstehe dich kaum noch. Ich glaub, ich komme gleich in ein Funkloch.«
    »Jule? Ich muss mit dir über diese Frau reden! Es ist wichtig!«
    »Hallo? Hallo? Ich verstehe dich nicht mehr, ich lege jetzt auf.«
    Als ich die rote Taste gedrückt hatte, glitt mir das Telefon beinahe aus der schweißnassen Hand. Ich steckte es in meine Handtasche und rieb mir die Stirn.
    Toll hatte ich das gemacht. So erwachsen.

    Ulm ist meine Heimatstadt. Hier bin ich geboren, und hier werde ich vermutlich auch sterben. Früher oder später. Hier habe ich mein erstes Leben gelebt, und mein zweites hat mich nicht fortgeführt.
    Ulm ist eine Stadt in Süddeutschland mit rund 100.000 Einwohnern. Nicht zu verwechseln mit Neu-Ulm, was zwar nur einen Steinwurf entfernt durch die Donau getrennt ist, aber in Bayern liegt, während Ulm zu Baden-Württemberg gehört.
    Ein echter Ulmer unterscheidet da sehr genau. Das Schönste an Neu-Ulm, sagt er, ist der Blick auf Ulm mit dem höchsten Kirchturm der Welt.
    Freilich halten es die Neu-Ulmer umgekehrt nicht anders. Es ist eine Frotzelei, aus der auch in 100 Jahren noch kein Sieger hervorgegangen sein wird.
    Verkehrstechnisch günstig gelegen ist Ulm ein spießiges Städtchen, wie man mit einem einzigen Blick in die Tageszeitung feststellen kann. Hausfrauen messen sich in Wettbewerben um den besten Kuchen der Stadt, und der einzige Skandal um das renovierungsbedürftige Schwimmbad in der Stadt ist keiner mehr, seit der Pächter gewechselt hat. Höchstens findet sich noch eine Kleingartenanlage, deren Hobbygärtner sich lautstark über die Golfbälle des nahe gelegenen Clubs beschweren, die ihre Gartenzwerge zerdeppern. Aber auch dieser Streit ist mittlerweile beigelegt.
    Trotz allem eine liebenswerte Spießigkeit. Es war ein Stück heile Welt. Die jäh zerstört wurde, als Terrorfahnder am 4. September 2007 zuschlugen und Verdächtige aus Ulm verhafteten. Plötzlich rückte die Stadt in den Mittelpunkt des allgemeinen Interesses und war nicht mehr das, was sie für deren Einwohner war: ein Geheimtipp.

    Die Promenade lag versteckt zwischen der Neuen Straße, die zum Innenstadtring gehörte und zum Rathaus führte, und der Donau, etwas erhöht auf der alten Stadtmauer. Ein lauschiges, ruhiges Plätzchen. Kopfsteinpflaster führte durch einen verkehrsberuhigten Bereich, Parken war nur mit Anwohnerausweis erlaubt.
    Ich schnaubte beim Anblick des Schildes und fuhr weiter bis zur angegebenen Hausnummer. Sämtliche Hinweise ignorierend parkte ich dicht an der Stadtmauer.
    Ich angelte meine Tasche vom Beifahrersitz und schaltete das Handy aus. Es hatte noch zweimal geklingelt, und ich hatte es ignoriert. Einer weiteren Konfrontation mit meiner Mutter fühlte ich mich heute nicht mehr gewachsen.
    Ich stieg aus und verschloss die Tür.
    Auf einem einsehbaren Grundstück mähte ein Gärtner den Rasen. Er warf mir einen mitleidigen Blick zu. Wahrscheinlich fuhr sogar er ein neueres Modell als ich.
    Trotzig biss ich die Zähne zusammen, hob den Kopf und ging auf das mondäne Haus zu.
    Um mich herum war es ruhig, nur das Zwitschern der Vögel war zu hören und das leise Rascheln der Bäume, die die ersten grünen Blätter der Sonne entgegen reckten. Die Donau konnte ich vor mir nur erahnen. Kaum zu glauben, dass man in fünf Minuten eine der verkehrsreichsten Straßen Ulms zu Fuß erreichen konnte.
    Ich erklomm die zwei Stufen zur Eingangstür und klingelte bei Marina und Alfred Waldner. Die Namen sagten mir nichts. Allerdings verkehrte ich auch nicht in Kreisen, in denen sie mir begegnet wären. Unsere Wege kreuzten sich allenfalls im ›Jazz-Keller‹.
    Eine junge, sportlich schlanke Frau mit langen, blonden Haaren öffnete die Tür. Sie trug ein ausgeleiertes T-Shirt und alte Leggins.
    »Sie müssen die Privatdetektivin sein«, sagte sie, und ihr Tonfall ließ keinen Zweifel daran, dass sie in etwa so erfreut war wie bei einem Zahnarztbesuch mit bevorstehender Wurzelbehandlung. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah mich mit gerunzelter Stirn an.
    Das fing ja gut an.
    »Dann sind Sie wohl Marina Waldner?«, fragte ich zurück und lächelte mit zusammengebissenen Zähnen. Dabei legte ich Enthusiasmus in meine Stimme, als würde ich mich um eine begehrte Stelle bewerben.
    »Ich habe leider Ihren Namen vergessen.«
    Den ersten Preis für Überzeugung gewann ich also nicht. Klasse Einstieg für ein solches Gespräch.
    »Dann wissen Sie aber sicher, worum es geht. Sollen wir
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