Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)
würde. Diese Leute waren meine Freunde, und wenn irgendjemand damit ein Problem hatte, war es mir egal. Danach strichen mich meine Scientology-Freunde einer nach dem anderen aus ihrer Freundesliste, selbst jene, die gesagt hatten, es kümmere sie nicht, dass ich nicht länger Scientologe war. Viele von ihnen meldeten sich bei mir und erzählten, Leute vom Office of Special Affairs hätten sie angewiesen, mich als Freund zu löschen, weil sie sonst nicht länger mit ihren Familien sprechen dürften.
Danach traten Dallas und ich unter anderen Namen Onlinegruppen ehemaliger Scientologen bei. Dort bekamen wir Gelegenheit, die Geschichten der Leute zu lesen und unsere eigenen zu erzählen. Sie ähnelten sich auf gespenstische Weise. Wir alle waren durch die Hölle gegangen. Besonders überrascht war ich davon, wie viele von ihnen unter ständig wiederkehrenden Albträumen litten, genau wie ich. Das Gefühl der Zusammengehörigkeit mit anderen Ex-Mitgliedern wuchs. Im Januar 2008 veröffentlichte Andrew Morton die nichtautorisierte Biografie Tom Cruise: Der Star und die Scientology-Verschwörung . Die Aufregung im Vorfeld war riesig, und tatsächlich stand das Buch schon drei Tage nach Erscheinen auf Platz eins der Bestsellerliste der New York Times . Über sein Leben wussten Dallas und ich zwar nicht viel, aber wir wussten, dass Tom Cruise der bekannteste unter den Prominenten war, die Scientology nahestanden. Wir lasen das Buch beide mit großem Interesse und stießen auf viele zutreffende Darstellungen der RPF , der Kontaktverbote zwischen Angehörigen und anderer Scientology-Praktiken.
Der Erfolg des Buchs und die damit einhergehende Publicity rückten viele Missstände ins Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit, und Dallas und ich fanden es großartig, dass Hunderttausende von Menschen davon erfuhren. Die Church war natürlich sofort zur Stelle und versuchte den Schaden zu begrenzen, indem sie so ziemlich alles anprangerte, was in dem Buch stand. In einer fünfzehnseitigen Erwiderung wurde das Buch ein »selbstgerechter, verleumderischer Angriff, der vor Lügen strotzt« genannt und anschließend jeder Vorwurf haarklein aufgelistet und gekontert. Dass sie dabei die Taktik der Kontaktverbote zwischen Familienmitgliedern glattweg leugneten, empörte mich maßlos. »Drängt Scientology ihre Mitglieder dazu, nicht mit ihren Familien zu sprechen, sollten diese die Religion nicht kennen?«, wurde in der Erwiderung gefragt. »Diese Aussage ist nicht nur falsch, es ist das genaue Gegenteil von dem, was die Kirche glaubt und praktiziert.«
Plötzlich hatte ich das Gefühl, unbedingt etwas unternehmen zu müssen. Mit ihren dreisten Lügen spuckten sie all jenen ins Gesicht, die für sie durch die Hölle gegangen waren. Es zeigte zudem, dass sie nicht beabsichtigten, sich in nächster Zukunft zu ändern. Ermutigt von Dallas, dem der anhaltende Druck der Church auf unsere Beziehung zu seiner Familie ähnlich auf die Nerven fiel wie mir, schrieb ich einen Brief an Karin Pouw, die Pressesprecherin der Church und Verfasserin der Erwiderung. Ich führte Dutzende von Beispielen für erzwungene Kontaktabbrüche in meiner und anderen Familien an und forderte sie am Ende des Briefs ganz persönlich heraus: »Sollte ich mich tatsächlich irren, dann beweisen Sie doch das Gegenteil und erlauben Sie mir und meiner Familie doch mit jenen Angehörigen in Verbindung zu treten, die noch Teil der Kirche sind, etwa mit meinem Großvater Ron Miscavige und seiner Frau Becky. Und erlauben Sie meinen Freunden dieselbe Freiheit.«
Ich schrieb, die Zahl der zerstörten Familien sei viel zu groß, als dass die Church sich das Leugnen länger leisten könne, und schlug ihr vor, weniger Zeit mit dem Verfassen von Erwiderungen zu verbringen und mehr mit der Rettung der zerstörten Familien »angefangen bei David Miscaviges eigener Familie«.
»Wenn es Scientology nicht einmal gelingt, dessen Familie zusammenzuhalten«, fuhr ich fort, »wie um alles in der Welt sollte dann noch jemand glauben, die Kirche fördere die Verbindungen innerhalb der Familie?«
Im Nachhinein wünschte ich, den Brief ein wenig klarer und in einem nicht ganz so emotionalen Ton verfasst zu haben, aber immerhin hatte ich eindeutig Position bezogen. Ich schickte den Text auch an einige meiner Freunde, die ihn dann an die Presse weitergaben, und so wurde er veröffentlicht. Sofort erfuhr ich eine unglaubliche Unterstützung. Alle möglichen Leute meldeten sich, Ex-Scientologen,
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