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Mehr als ein Sommer

Mehr als ein Sommer

Titel: Mehr als ein Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Eriksson
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war, konnte er grüne Wälder und Bergketten erkennen.
    »Über dem Norden Italiens?«, riet er.
    »Werden wir das Mittelmeer verpassen? Hat das wirklich diese wundervolle Türkisfarbe?«
    »Ich habe es nie gesehen. Es wird aber langsam dunkel. Wir werden wohl den Reisemagazinen glauben müssen.«
    »Sie haben es nie gesehen? Aber sind Sie nicht schon überallhin gereist, wo... ach, hören Sie nur, was ich von mir gebe«, unterbrach sich Constance. »Erfinde Geschichten über Sie. Halt den Mund, Constance. Der Junge kann für sich selbst sprechen, nicht wahr? Erzählen Sie mir bitte über Ihr Leben, mein lieber Junge. Ich möchte alles wissen.« Sie trank einen Schluck, und die Eiswürfel klirrten auf dem Boden ihres Glases; über den Rand hinweg blickte sie ihn forschend und erwartungsvoll an.
    Niemand hatte Trevor jemals mein lieber Junge genannt. Onkel Pats Spitzname für ihn war kleiner Scheißer gewesen. Ihm gefiel die Vorstellung, dass seine Mutter ihn mein lieber Junge genannt hätte. Aber diese Möglichkeit war zusammen mit ihrem Leichnam begraben worden.
    »Nun... Ich arbeite für eine Firma namens Forrester Agricultural mit Sitz in Calgary.« Warum, zum Teufel, erzählte er ihr das? »Wir verkaufen Gerätschaften für Farmbe...«
    »Donald hat als Assistenzarzt in Calgary gearbeitet. Donald Junior ist dort zur Welt gekommen.« Sie hielt inne. »Schsch. Da mache ich schon wieder den Mund auf. Es tut mir leid.«
    Trevor fuhr fort mit seinen Ausführungen, mit Bedacht, denn er erwartete, unterbrochen zu werden, aber sie saß ruhig da und sah ihn gespannt an. »Ich bin zuständig für die internationalen Verkäufe.« Trevor hasste es, Menschen zu erklären, was er beruflich machte. »Wir haben eine Menge Verträge mit Organisationen der Entwicklungshilfe.« Er hielt inne und fragte sich, ob er damit genug gesagt hatte, aber sie sah ihn an, als erwarte sie mehr. »Ich verkaufe Traktoren in Entwicklungsländer. Überwache die Lieferungen, solche Sachen.«
    »Wie nobel.« Constance nickte beeindruckt. »Den Armen zu helfen, aus der Armut herauszukommen. Sie sind bestimmt stolz auf Ihre Arbeit«, meinte sie.
    Trevor zuckte mit den Achseln.
    »Mein Großvater hatte einen wunderschönen alten Traktor auf seiner Farm im Süden von Manitoba. Er hat ihn behandelt wie ein Baby. Ich glaube, die Maschine hieß Massiger Harry.«
    »Massey-Harris.«
    »Ja, genau. Verkaufen Sie die?«
    Er nickte. »Tun wir. Heute heißen sie Massey-Ferguson.«
    Aber nicht mehr lange. Es gab da das Gerücht, dass die ehrwürdige Firma in finanziellen Schwierigkeiten steckte. Er glaubte nicht, dass sich mit seiner Gesprächspartnerin eine Unterhaltung über die ökonomische Situation der Weltlandwirtschaft ausbauen ließ. Diese Sorgen hätte er sich allerdings nicht machen müssen. Sie wechselte das Thema schon wieder.
    »Und Sie dürfen die ganze Zeit reisen«, sagte sie nachdenklich. »Ich wollte immer schon reisen. Meine Ehemänner und ich hatten es oft vor. Aber das Leben kam uns immer dazwischen, und wir haben es nie getan.« Vorsichtig stieß sie mit dem Fuß gegen das Gepäckstück unter dem Sitz vor ihr. »Bis jetzt.«
    Trevor hatte seinen Job noch nie für nobel gehalten; er ermöglichte ihm, seine Rechnungen zu bezahlen. Er verbrachte den Großteil seiner Zeit im Flugzeug, in Hotelzimmern und Regierungsbehörden. Constance führte sich auf, als sei sie stolz auf ihn. »Ja, es ist aufregend«, log er.
    »Es muss schwer sein für Ihre Frau, wenn Sie immer unterwegs sind.«
    »Nein, keine Frau«, erwiderte er.
    »Ein netter, junger Mann wie Sie, und da sind Sie nicht verheiratet? Haben Sie denn eine Freundin?«
    Trevor dachte an Angela, an ihre gelegentlichen gemeinsamen Mittagessen und ihren noch gelegentlicheren Sex. Sie hatten ihre Abmachungen. Angela würde ihn nicht vermissen. »Ja, sie heißt Angela. Sie ist Rechtsanwältin.« Trevor löste seine Krawatte und stellte die Frischluftdüse neu ein. »Sehen Sie, da kommt das Abendessen.« Er atmete erleichtert auf.
    Er hatte seit Stunden keine anständige Mahlzeit bekommen und schlang den Auflauf, den Salat und das Brötchen herunter. Während er sich dem Nachtisch zuwandte, fiel ihm auf, dass Constance noch gar nicht richtig angefangen hatte zu essen. Er beobachtete, wie sie ihr Mahl in mundgerechte Häppchen schnitt, jedes einzelne methodisch durchkaute und dabei mit dem Kopf nickte, als würde sie vor sich hinzählen — wie ein Sperling am Vogelhäuschen, ein Samenkorn nach dem

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