Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
McEwan Ian

McEwan Ian

Titel: McEwan Ian
Autoren: Abbitte
Vom Netzwerk:
wurde. Das Ganze war zu schön, einfach köstlich, denn sie wußte, je schwerer der Schaden, um so schlimmer würde es für Robbie werden: ihr verstorbener Onkel, der geliebte Bruder ihres Vaters, der sinnlose Krieg, die tückische Flußdurchquerung, der Wert der Vase, die mit Geld nicht zu bezahlen war, Heldentum, menschliche Güte und all die Jahre, die diese Vase durch ihre Geschichte verkörperte, eine Geschichte, die bis zu dem Genie von Höroldt und noch darüber hinaus bis zur Meisterschaft jener Alchemisten zurückreichte, die das Porzellan wiederentdeckt hatten.
»Du Idiot! Jetzt sieh doch nur, was du angestellt hast.« Er schaute ins Wasser, dann blickte er sie an, schüttelte einfach bloß den Kopf und legte eine Hand vor den Mund. Mit dieser Geste nahm er alles auf sich, doch haßte sie ihn dafür, so unangemessen fand sie seine Reaktion. Er blickte ins Becken und seufzte. Einen Moment fürchtete er, sie könnte zurückweichen und gegen die Vase treten, und hob warnend die Hand, sagte aber keinen Ton. Statt dessen begann er, sein Hemd aufzuknöpfen. Ihr war sofort klar, was er vorhatte. Ausgeschlossen. Er war ins Haus gekommen und hatte Schuhe und Socken ausgezogen – nun, sie würde es ihm zeigen. Sie schleuderte die Sandalen von den Füßen, knöpfte ihre Bluse auf und zog sie aus, löste den Rock, streifte ihn ab und trat an den Beckenrand. Er stand da, Hände in den Hüften, und glotzte, während sie in Unterwäsche ins Wasser stieg. Seine Hilfe ausschlagen, ihm keine Möglichkeit zur Wiedergutmachung gönnen, so lautete seine Strafe. Das eiskalte Wasser, ihr Aufkeuchen waren seine Strafe. Sie hielt den Atem an und sank hinab, ihr Haar aufgefächert über dem Wasser. Daß sie sich ertränkte, war seine Strafe. Als sie einige Sekunden später wieder auftauchte, eine Scherbe in jeder Hand, da wußte er, daß er besser daran tat, ihr nicht aus dem Wasser zu helfen. Die zarte, weiße Nymphe, von der das Wasser weit kräftiger herabströmte als von dem bulligen Triton, legte die Stücke sorgsam neben die Vase. Dann zog sie sich rasch wieder an, streifte mühsam die Seidenärmel über die nassen Arme und stopfte sich die offene Bluse in den Rock, griff nach den Sandalen, klemmte sie sich unter den Arm, steckte die Scherben in die Rocktasche und hob die Vase auf. Ihre Bewegungen waren schroff, und sie wich seinem Blick aus. Er existierte nicht, er war verbannt, das gehörte ebenfalls zu seiner Strafe. Wie betäubt stand er da, als sie barfuß über den Rasen davonging, und sah ihr nach, sah ihr nasses, jetzt dunkleres Haar schwer auf ihre Schultern herabfallen und die Bluse befeuchten. Dann drehte er sich um und suchte das Becken ab, ob nicht ein Bruchstück übersehen worden war, konnte aber kaum etwas erkennen, da sich das Wasser noch nicht wieder beruhigt hatte, fast, als würde es stets aufs neue vom Gespenst ihrer Wut aufgewühlt. Er legte eine gespreizte Hand auf die Oberfläche, als wollte er das Wasser besänftigen. Cecilia war längst im Haus verschwunden.
Drei
    L aut Plakat sollte die Uraufführung der Heimsuchungen Arabellas nur einen Tag nach der ersten Probe stattfinden. Doch für die Autorin und Regisseurin war es nicht leicht, genügend Zeit zum konzentrierten Arbeiten zu finden. Wie am Nachmittag zuvor bestand die Schwierigkeit darin, die Schauspieler zusammenzutrommeln. Jackson, Arabellas strenger Vater, hatte in der Nacht ins Bett gemacht, was verängstigten kleinen Jungen fern von daheim manchmal eben passiert. Gängiger Theorie zufolge war Jackson deshalb angehalten worden, Bettwäsche und Schlafanzug in die Waschküche zu bringen, um sie dort selbst auszuwaschen, und zwar von Hand und unter der Aufsicht von Betty, die man angewiesen hatte, sich unnahbar und unnachgiebig zu zeigen. Dies wurde dem Jungen keineswegs als Strafe auferlegt, vielmehr beabsichtigte man, seinem Unterbewußten für die Zukunft beizubringen, daß derartige Vorfälle dieser Art unangenehme und harte Arbeit nach sich zogen. Der Junge dürfte es trotzdem als Bestrafung empfunden haben, dort vor dem riesigen Steinbecken zu stehen, das ihm bis hinauf an die Brust reichte, die nackten Arme bis zu den aufgerollten Hemdsärmeln im Seifenschaum, die nassen Laken schwer wie ein Sack Steine und er selbst vom Gefühl einer Katastrophe wie betäubt. Briony schaute immer mal wieder vorbei, weil sie wissen wollte, wie weit er war.
Sie durfte ihm jedoch nicht helfen, und Jackson hatte noch nie in seinem Leben Wäsche gewaschen.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher