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Matti & Dornröschen 01 - Das Dornröschen-Projekt

Matti & Dornröschen 01 - Das Dornröschen-Projekt

Titel: Matti & Dornröschen 01 - Das Dornröschen-Projekt
Autoren: Christian Ditfurth
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warf die Zigarette weg.
    Der Regen wurde heftig. Die Menschen spannten wieder die Schirme auf oder schützten ihre Köpfe unter Kapuzen. Ein langer, hagerer Türke mit weißem Bart auf braun gegerbter Haut, Pockennarben und grauem Hut trödelte unbeeindruckt von der Bushaltestelle zum Bahnhofseingang. Wasserflecken punkteten seinen Mantel.
    Ein kurzes Hupen von hinten, er startete den Motor, hob die Hand, ohne in den Rückspiegel zu schauen, und steuerte den Wagen ein paar Meter nach vorn. Er stellte den Diesel aus.
    Die Bilder kreisten in seinem Kopf. Sie in einem Handwerkerkombi, in Rot, was sonst, auf einer Demo, aufgeregt, immer wieder etwas rufend, die Haare schwarzblau in der Sonne schimmernd. Es war warm gewesen, viel Haut, eine ungeheure Leichtigkeit. Mit ihr im Bett, sie war fordernd, ihr straffer Körper hatte ihn angezogen und reagierte sofort auf jede Berührung. Ihr Gesicht auf dem Kissen, die Beine etwas gespreizt, ihr Gesäß erhöht, weil es auf der zusammengerollten Decke lag, ihr Atem schwer, während er etwas zu trinken holte. Sie liebte Martini mit Eis, trank oft schon mittags, und manchmal rauchte sie Kette, manchmal gar nicht. Sie war so anders, sie wusste es, und sie genoss es.
    Wo hatte er die Bilder von Lily vergraben? Er sang leise vor sich hin:
    I used to wake up in the morning
I used to feel so bad
I got so sick of having sleepless nights
    Als sie ihn verlassen hatte, weil sie die Gewohnheit hasste, er hatte den Anlass längst vergessen, nachdem sie ihn also verlassen hatte, da betrank er sich zwei Wochen lang oder vielleicht auch länger, und es war ihm egal, was er trank, Hauptsache, es war Alkohol. In seinem Mund schmeckte er noch die Überbleibsel des Ekels, roch er die Erinnerungsmoleküle dieser kotzerbärmlichen Mischung aus Korn, Billiglikör, Wein, Martini, Whisky, die er nacheinander oder auch zusammen in sich hineingeschüttet hatte. Und er hörte immer wieder das Lied. Irgendwann warf er die Platte weg und tat auch sonst alles, um sie zu vergessen. Er gab die Wohnung auf, zog zurück in die Sonnenallee- WG , verkroch sich in sein Zimmer und wachte doch viele Nächte auf mit diesen Bildern, wie sie ihm jetzt in den Kopf zurückgekehrt waren. Er sah sie vor sich, als stünde sie vor seinen Augen, aber das Bild wechselte zwischen früher und jetzt. Es waren nicht viele Unterschiede, und die schmalen Falten an den Augen und den Mundwinkeln betonten nur, wie aufregend sie immer noch war.
    Er fuhr wieder ein Stück nach vorn.
    Der Himmel riss auf, und die Sonne kam zurück. Sie strahlte rötlich durch den Dunst, ließ den Platz glänzen, die wartenden Busse sich in der Glasfront des Bahnhofs spiegeln und warf einen Lichtfächer in die Halle.
    Die Hintertür ging auf, als er sich gerade mit Konfuzius ablenken wollte. Der Gedanke durchzuckte ihn, sie wäre es. Aber er sah im Rückspiegel ein breites Gesicht mit einem Oberlippenbart unter einer großporigen Nase, aus der Haare sprossen, und lockigen braunen Haaren mit grauen Strähnen, die Augenbrauen standen als Büschel hervor. Der Mann schnaufte, als wäre er gerannt. Matti legte den gelben Band zurück auf die Mittelkonsole, schaute nach hinten, dann nach vorn. Er war der vierte Wagen in der Reihe. Er schaute wieder den Mann an, der trug einen aufgeknöpften Ledermantel, darunter ein graues Jackett und ein weißes Hemd mit dunkelblauem Schlips, alles offenbar nicht von der Stange. Es sah gut aus, obwohl er klein und fett war.
    »Sie sollten vielleicht besser in den ersten Wagen einsteigen«, sagte Matti betont freundlich. Irgendetwas an dem Mann mahnte ihn, vorsichtig zu sein.
    »Nein, nein«, sagte der Mann mit heiserer Stimme. »Das sind die falschen Autos.«
    Und Matti sah im Spiegel, wie er abfällig mit der Hand winkte. Matti fuhr den ersten Mercedes in der Reihe.
    Er startete den Motor und drehte sich noch einmal um.
    »Potsdamer Platz«, sagte der Mann und schnallte sich an.
    Eine dieser Fahrten, die sich nicht lohnten.
    Der Mann zündete sich eine Zigarette an. Matti tippte auf das Schild Nichtraucher über dem Handschuhfach. Der Mann zog und blies den Rauch nach vorn.
    »Nichtrauchertaxi«, sagte Matti.
    »Schwarzer Krauser, du rauchst auch«, sagte der Mann. »Fahr los!«
    »Zigarette aus, sonst fahre ich nicht.«
    »Du fährst«, sagte der Mann. »Beeil dich!« Eine Rauchwolke nebelte Matti ein. Plötzlich ein stechender Schmerz in der Schulter. Der Mann packte ihn hart und bohrte seine Finger in Mattis Muskeln, er hatte
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