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Marie und die Meerjungfrau (Das Geheimnis der Zaubermuscheln)

Marie und die Meerjungfrau (Das Geheimnis der Zaubermuscheln)

Titel: Marie und die Meerjungfrau (Das Geheimnis der Zaubermuscheln)
Autoren: Lassal
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noch die dröhnende Stimme von Opa Donnersee. Sie saß nur dort, taub, blind, frierend, zusammengekauert auf dem Felsen und weinte und weinte und weinte, bis sie vor Erschöpfung und Traurigkeit ohnmächtig wurde.
    Sie sah die kleine Meerjungfrau aus dem Bild, die in ihrem herrlichen Schuppenkleid auf dem Felsen stand und zu ihr herüberschaute, während der schokoladenbraune Welpe in ihrem Arm mit seinem kleinen Schwanz wedelte und ihre Hand leckte. Glühwürmchen schwirrten in der Luft wie tausend kleine Sternchen und ließen ihre Haare und ihr Kleid glitzern. Winzige Leuchtquallen schwammen im Meer rund um den Felsen und machten aus ihm die schönste Bühne der Welt.
    Plötzlich fing der kleine Hund an, nervös zu fiepen … Warum fiepte er nur, fragte Marie sich. Alles war so wunderbar, dachte sie, es gab doch keinen Grund zum Fiepen? Aber der Welpe in den Armen der jungen Meerjungfrau fiepte weiter und jaulte erst leise, dann immer lauter … er leckte dem Mädchen übers Gesicht — nein, er leckte Marie übers Gesicht. Wie konnte das sein? Warum winselte und jaulte er? Und wo war das Mädchen? Die Meerjungfrau war weg und plötzlich sp¸rte Marie, wie ihr Wasser ins Gesicht peitschte. Süßes Wasser und salziges Wasser. Und kalt war es. Sehr kalt. Als sie ihre Augen öffnete, sah sie nichts, so finster war es. Der Wind heulte und Wellen und Regen klatschten auf ihren kleinen Körper. Sie konnte das Land nicht sehen, sie wusste nicht, in welcher Richtung der Strand war. Die Flut war da. Bald würde der Felsen, auf dem sie saß, in den Wellen untergehen. Da hörte sie den Welpen wieder fiepen, und sie spürte die Zunge, die ihr zärtlich über die Hand fuhr. Sie tastete danach und … es war nicht der Welpe aus ihrem Traum, es war Robbie! Robbie hatte sie gefunden! Jetzt hörte sie auch die vom Wind verzerrten Stimmen ihrer Eltern, die nach ihr riefen. Und andere Stimmen auch … viele Stimmen. Alle riefen nach ihr. Aber der Wind fetzte ihre Worte auseinander und sie konnte nicht sagen, aus welcher Richtung sie kamen.
    Robbie winselte und stupste sie an. Er hob den Kopf, starrte in die Dunkelheit und fiepte, dann fing er an, an dem Zipfel ihrer Jacke zu ziehen. Er wollte, dass sie mit ihm ging und Marie wusste auch warum: Sehr bald würde die Flut den Felsen verschlucken, auf dem sie saßen. Es blieb ihnen nicht mehr viel Zeit. Marie hielt sich an seinem Halsband fest, und kletterte tastend die Felsstufen hinab, bis sie bis zum Hals im eiskalten Wasser stand. Ihre Locken bereiteten sich um sie herum aus, wie ein heller, leuchtender Kranz. Das Wasser war bereits zu tief. Wenn sie weiterging, würde sie keinen Boden mehr unter den Füßen haben.
    Marie konnte nicht schwimmen. Wegen ihrer Krankheit hatte sie es nie gelernt. Nun aber war die Flut bereits so hoch und die Wellen durch den Sturm so wütend, dass sie nicht wusste, wie sie ohne zu schwimmen ans Land kommen sollte.
    „Robbie”, flüsterte sie, „ich kann das nicht!”
    Daraufhin zog Robbie nervös an ihrem dünnen Tüllärmelchen, als ob er sagen wollte: „Ich helfe Dir! Komm schnell, komm schnell, der Felsen wird gleich untergehen!” Aber der Ärmel riss an der Schulter des Kleidchens ab und verschwand im Wasser. In diesem Moment spülte eine große Welle Marie von der letzten Felsstufe. Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, schnappte Robbie nach den Enden der Brokatschleife, die auf der Oberfläche trieben, und zog Marie hinter sich her durch das tiefe Wasser in Richtung Strand.
    Es war schwarz und kalt; rauschend rollten salzige Wellen über ihre Köpfe und nahmen ihnen zeitweise die Luft. Marie spürte nur Wasser unter ihren Füßen und hatte unglaubliche Angst. Verzweifelt schlug sie um sich, um Halt zu finden, aber da war nichts außer Robbie, der sie an ihrer Schleife festhielt und zu retten versuchte. Sie hätte ihre Schuhe vorher ausziehen sollen, dachte Marie, und wollte sie sich schnell mit den Füßen abstreifen, was ihr aber nur mit dem rechten Schuh gelang. Auch ihre dicke Wolljacke hatte sich mittlerweile vollgesogen und zog sie in die Tiefe. Marie blickte an sich herab und sah einen Körper so bleich und transparent, als sei er schon nicht mehr der ihre, sondern bereits Teil des Meeres. Unter ihr, im Wasser, meinte sie kleine Fische zu erkennen, die im schwarzen Wasser tanzten. Leuchtende Fische, mit wallenden Flossen, wie glühender hauchdünner Stoff.
    Plötzlich war Marie ganz ruhig. Sie würde sich einfach herabsinken lassen,
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