Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell
Autoren: Vom Winde verweht
Vom Netzwerk:
geheimzuhalten.«
    »Hätte
Mellys Tante nicht geschwatzt, so wüßten wir auch nichts davon. Scarlett muß
doch gewußt haben, daß er Miß Melly einmal heiraten will, das wissen wir ja
seit Jahren. Wilkes und Hamiltons heiraten immer ihre eigenen Cousinen.«
    »Ach was,
ich gebe es auf, aber schade, daß sie uns nicht eingeladen hat. Ich sage dir,
ich habe keine Lust, nach Hause zu gehen und Ma toben zu hören. Ja, wenn es die
erste Ausweisung gewesen wäre!«
    »Vielleicht
hat Boyd sie inzwischen beruhigt Du weißt, wie geschickt der Kleine reden kann.
Er beschwichtigt sie jedesmal.«
    »Kann
sein, aber es braucht Zeit, er muß im großen Bogen drum herumreden, bis es bei
Ma so durcheinandergeht, daß sie es aufgibt und ihm sagt, er solle seine Stimme
für die Anwaltspraxis schonen. Ich wette, Ma ist noch so aufgeregt über den
Hengst, daß sie noch nicht einmal gemerkt hat, daß wir wieder da sind, bis sie
sich heute abend zu Tisch setzt und Boyd sieht. Dann legt sie sich ins Zeug und
speit Feuer. Dann wird es zehn, bis Boyd Gelegenheit hat, zu sagen, es wäre für
uns unehrenhaft gewesen, zu bleiben, nachdem der Rektor so mit uns geredet hat.
Und dann wird es Mitternacht, bis er sie herumkriegt und sie so wütend über den
Rektor wird, daß sie Boyd fragt, warum er ihn nicht niedergeschossen hat. Nein,
vor Mitternacht können wir nicht nach Hause.«
    Die
Zwillinge sahen einander trübselig an. Sie hatten nicht die geringste Angst vor
wilden Pferden, Schießereien und dem Zorn ihrer Nachbarn, aber sie hatten einen
heillosen Respekt vor ihrer Mutter und der Reitpeitsche, die sie ihnen über die
Hosen zu ziehen pflegte.
    »Höre«,
sagte Brent, »laß uns hinüber zu Wilkes, die freuen sich, wenn wir bei ihnen
essen.«
    Stuart war
mit diesem Vorschlag nicht recht zufrieden. »Nein, lieber nicht, da steht schon
alles auf dem Kopf wegen des Festes morgen, und außerdem ... «
    »Ach, das
habe ich ganz vergessen. Nein, da gehen wir lieber nicht hin.«
    Sie
schnalzten ihren Pferden und ritten schweigend weiter. Stuarts gebräunte Wangen
waren vor Verlegenheit rot geworden. Bis zum vorigen Sommer hatte er India
Wilkes mit Billigung beider Familien und der ganzen Nachbarschaft den Hof
gemacht. Vielleicht hatte man in der Provinz die Hoffnung, die kühle Art India
Wilkes könnte einen beruhigenden Einfluß auf ihn haben. Stuart hätte die
Verbindung wohl eingehen können, aber Brent war nicht einverstanden gewesen. Er
mochte India wohl, aber er fand sie reizlos und konnte sich einfach nicht in
sie verlieben, nur um Stuart Gesellschaft zu leisten. Die Wege der Zwillinge
gingen da zum erstenmal auseinander, und Brent verübelte es seinem Bruder, daß
er einem Mädchen den Hof machte, an dem er selbst nicht den geringsten Gefallen
fand.
    Dann
hatten sie beide vorigen Sommer in Jonesboro bei einer Versammlung im Freien
plötzlich Scarlett O'Hara gesehen. Sie kannten sie seit Jahren, und in ihrer
Kinderzeit war sie ihre beste Spielgefährtin gewesen, denn sie konnte fast
ebenso gut wie die beiden reiten und klettern. Nun war sie zu ihrer
Verwunderung eine erwachsene junge Dame und obendrein die entzückendste auf der
ganzen Welt geworden. Zum erstenmal wurden sie gewahr, wie es in ihren grünen
Augen schillerte, wie tief ihre Grübchen waren, wenn sie lachte, was für
zierliche Hände und Füße und was für eine schlanke Taille sie hatte. Bei den
klugen Bemerkungen der Zwillinge lachte sie fröhlich auf, und beseelt von dem
Gedanken, in Scarletts Augen ein ansehnliches Paar vorzustellen, übertrafen die
beiden sich selbst. Es war ein denkwürdiger Tag im Leben der Zwillinge. Wenn
sie sich später darüber unterhielten, so wunderten sie sich stets, daß ihnen
Scarletts Zauber bis dahin entgangen war. Die richtige Antwort darauf fanden
sie nie. Die hätte gelautet, daß Scarlett gerade an jenem Tag beschlossen
hatte, die beiden auf sich aufmerksam zu machen. Ihrem Temperament war es
unerträglich, irgendeinen Mann in irgendeine andere Frau als sich selbst
verliebt zu sehen, und der Anblick von India Wilkes und Stuart bei der
Versammlung war für ihren Raubtiersinn zuviel gewesen. An Stuart allein hatte
sie nicht genug, sie hatte es zugleich auf Brent abgesehen, und zwar so
gründlich, daß alle beide überwältigt wurden.
    Nun waren
sie beide in sie verliebt, und India Wilkes und Letty Munroe aus Lovejoy, der
Brent halben Herzens den Hof gemacht hatte, waren bei ihnen gänzlich in den
Hintergrund getreten. Was der tun sollte,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher