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Mansfield Park

Mansfield Park

Titel: Mansfield Park
Autoren: Jane Austen
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einzelnen Menschen große Unterschiede, und darum müßt ihr Mitleid mit euerer Cousine haben und sie nachsichtig behandeln. Vergeßt nicht, gerade weil ihr so gescheit und begabt seid, müßt ihr Bescheidenheit üben, denn soviel ihr auch schon wißt, habt ihr doch noch viel zu lernen.»
«Ja, ich weiß, bis wir siebzehn Jahre alt sind. Aber ich muß Ihnen noch etwas von Fanny erzählen, es ist zu komisch. Denken Sie nur, sie sagt, sie möchte weder Musik noch Zeichnen lernen!»
«Das ist wirklich sehr dumm von ihr und beweist einen großen Mangel an Ehrgeiz und Talent, mein Herzchen. Aber ich weiß nicht, ob es nicht im Grunde besser so ist, denn ihr wißt ja (ich selbst habe es euch gesagt), wenn eure guten Eltern auch so edel sind, sie mit euch zusammen zu erziehen, so ist es doch durchaus nicht nötig, daß sie so gebildet wird wie ihr. Im Gegenteil, es ist viel wünschenswerter, daß ein Unterschied bestehenbleibt.»
Das waren die Ratschläge, die Mrs. Norris zur Erziehung ihrer Nichten beisteuerte, und es ist nicht verwunderlich, daß es ihnen bei all ihren vielversprechenden Talenten und Kenntnissen doch völlig an einigen weniger verbreiteten Fertigkeiten mangelte, wie etwa Selbsterkenntnis, Großmut und Bescheidenheit. Alles an ihnen wurde vortrefflich ausgebildet – bis auf das Gemüt. Sir Thomas wußte nichts von diesem Mangel, denn obwohl er ein wahrhaft treubesorgter Vater war, verstand er es nicht, seine Zärtlichkeit zu zeigen, und seine zurückhaltende Art dämpfte jeden Gefühlserguß.
Lady Bertram kümmerte sich überhaupt nicht um die Erziehung ihrer Töchter. Dazu hatte sie keine Zeit. Sie verbrachte den Tag hübsch angezogen auf ihrem Sofa über einer endlosen Handarbeit, die weder nützlich noch schön war, und interessierte sich mehr für Mops als für ihre Kinder, zeigte sich aber diesen gegenüber sehr duldsam, solange sie nicht ihre Bequemlichkeit störten. In allen wichtigen Angelegenheiten ließ sie sich von Sir Thomas, in den minder bedeutenden Fragen des Alltags von ihrer Schwester leiten. Auch wenn sie mehr Zeit gefunden hätte, sich ihren Töchtern zu widmen, wäre ihr dies überflüssig erschienen. Sie waren der Obhut einer Gouvernante und den richtigen Lehrern anvertraut, und mehr brauchten sie ja nicht. Was Fannys vermeintliche Dummheit beim Unterricht betraf, konnte Lady Bertram nur sagen, das sei schade, aber manche Menschen wären eben dumm, und Fanny müsse sich mehr Mühe geben; sie wüßte nicht, was man sonst tun könnte; und abgesehen von ihrer Dummheit könne sie dem armen, kleinen Ding nichts vorwerfen – im Gegenteil, sie fände sie sogar sehr flink und anstellig, wenn sie ihr etwas auszurichten oder zu holen auftrüge.
So lebte sich Fanny mit allen ihren Fehlern, als da sind Unwissenheit und Schüchternheit, in Mansfield Park ein, lernte ein gut Teil ihrer Anhänglichkeit an das Elternhaus auf ihr neues Heim zu übertragen und wuchs nicht gerade unglücklich neben ihren Cousinen auf. Maria und Julia waren nicht bösartig, und wenn sie Fanny auch oft überheblich behandelten, so dachte diese doch zu gering von sich, um sich beleidigt zu fühlen.
Etwa um die Zeit, als Fanny in die Familie eintrat, fühlte sich Lady Bertram durch leichte Kränklichkeit und große Trägheit bewogen, das Haus in London aufzugeben, wo sie bisher jedes Jahr einige Frühlingsmonate verbracht hatten. Sie blieb nun ständig auf dem Land und überließ es Sir Thomas, seine Pflichten im Parlament zu erfüllen, ohne sich viel den Kopf zu zerbrechen, ob ihre Abwesenheit zu seinem Behagen beitrug oder es schmälerte. Auf dem Lande fuhren die jungen Damen also fort, ihr Gedächtnis und ihre Duette zu üben und dabei unversehens zu großen, stattlichen Mädchen heranzuwachsen. Ihr Vater sah mit Befriedigung, daß ihr Aussehen, ihr Benehmen und ihre Bildung durchaus seine Erwartungen erfüllten. Sein ältester Sohn war leichtsinnig und verschwenderisch und hatte ihm schon viele Sorgen gemacht, doch von seinen anderen Kindern durfte er sich das Allerbeste versprechen. Solange seine Töchter den Namen Bertram trugen, würden sie ihm neuen Glanz verleihen, und wenn sie ihn einmal ablegten, durfte er hoffen, daß sie standesgemäße Verbindungen eingingen. Edmunds Charakter, sein ausgezeichneter Verstand und sein aufrechter Sinn sprachen dafür, daß er ein nützliches, geachtetes und glückliches Dasein führen würde. Er war zum Geistlichen bestimmt.
Über allen Sorgen und Freuden, die ihm seine eigenen
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