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Mansfield Park

Mansfield Park

Titel: Mansfield Park
Autoren: Jane Austen
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völlig aussichtslose Angelegenheit wie im ersten Augenblick. Sie bemühte sich demütig um die Verzeihung der Eltern, und Mr. Yates, dem viel daran lag, wirklich in die Familie aufgenommen zu werden, war ganz bereit, zu Sir Thomas aufzuschauen und sich von ihm leiten zu lassen. Ein sehr gefestigter Charakter war er nicht, doch man durfte hoffen, daß er mit der Zeit weniger oberflächlich, daß er wenigstens halbwegs häuslich und solid werden könnte – und jedenfalls war es tröstlich, zu entdecken, daß sein Vermögen beträchtlich größer und seine Schulden viel unbedeutender waren, als Sir Thomas befürchtet hatte; auch mißfiel es ihm nicht, daß dieser Schwiegersohn ihn bei jedem Anlaß um Rat fragte und als höchste, ehrwürdigste Instanz betrachtete. – Über Tom durfte man sich gleichfalls freuen, denn er erlangte allmählich seine Gesundheit wieder, ohne jedoch in seine frühere gedankenlose, egoistische Lebensweise zurück zu verfallen. Seine Krankheit hatte einen besseren Menschen aus ihm gemacht. Er hatte Schmerzen erduldet und nachdenken gelernt, zwei Vorteile, die er vorher niemals genossen; und die Vorwürfe, die er sich machte, durch seine unentschuldbare Theaterspielerei eine gefährliche Intimität gefördert und sich dadurch zum Mitschuldigen an dem unseligen Skandal gemacht zu haben, blieben nicht ohne dauernden Einfluß auf ein sechsundzwanzigjähriges Gemüt, dem es weder an guten Anlagen noch an der günstigen Umgebung gebrach. Er wurde, was er sein sollte: eine Stütze für seinen Vater, ein zuverlässiger, standhafter Mensch, der nicht ausschließlich an sich selbst dachte.
    Hierin ließ sich wahrlich Trost finden! Und bald begann auch Edmund Stoff zu erfreulichen Betrachtungen zu liefern, da er sich in dem einen Punkt besserte, in dem er seinem Vater zuvor Kummer bereitet hatte – seine Stimmung hob sich beträchtlich. Während er an allen schönen Sommerabenden mit Fanny im Park herumspazierte oder unter den alten Bäumen saß, hatte er sich in eine so große Schicksalsergebenheit hineindiskutiert, daß man ihn jetzt eigentlich recht fröhlich nennen konnte.
    Das waren die erfreulichen Umstände, die Sir Thomas allmählich Erleichterung und neue Hoffnung brachten, ihn das Verlorene nicht mehr ganz so schmerzlich empfinden ließen und ihn bis zu einem gewissen Grad mit sich selber aussöhnten
– wenn auch das schmerzliche Bewußtsein, seine Töchter falsch erzogen zu haben, niemals gänzlich schwand.
    Zu spät erkannte er, wie ungünstig es sich auf den Charakter jedes jungen Menschen auswirken mußte, in der eigenen Familie so gegensätzlich behandelt zu werden wie Maria und Julia: die übermäßige Nachsicht und Schmeichelei, die ihre Tante ihnen angedeihen ließ, hatte ständig in krassem Gegensatz zu seiner eigenen Strenge gestanden. Er sah nun, wie sehr er geirrt hatte, wenn er die falschen Erziehungsmethoden von Mrs. Norris dadurch zu korrigieren hoffte, daß er selbst ins andere Extrem verfiel; er hatte das Übel damit nur vergrößert, indem er seine Töchter bewog, ihr lebhaftes Temperament in seiner Gegenwart zu unterdrücken, so daß ihre eigentliche Wesensart ihm verborgen blieb und sie sich mit allen ihren Launen und Wünschen an die Tante wandten, die sie einzig durch ihre blinde Affenliebe und ihre übertriebenen Lobhudeleien an sich zu fesseln wußte.
    Das war ein schwerer Fehler gewesen, doch so schlimm er war, begann Sir Thomas zu ahnen, daß darin noch nicht einmal der unheilvollste Irrtum seines Erziehungssystems bestand. Es mußte an einem inneren Mangel gekrankt haben, sonst hätte die Zeit viele seiner schädlichen Auswirkungen gemildert. Er fürchtete nun, daß es seinen Töchtern an Grundsätzen, an einer festen moralischen Grundlage gefehlt, daß man ihnen niemals richtig beigebracht hatte, ihren Trieben und Aufwallungen jenes strenge Pflichtbewußtsein entgegenzusetzen, das allein imstande ist, sie zu beherrschen. Man hatte sie theoretisch in den Lehren ihrer Religion unterwiesen, doch niemals verlangt, daß sie etwas davon in die tägliche Praxis umsetzten. Das allgemein anerkannte Ziel der ganzen Erziehung – sich durch Vornehmheit und Bildung auszuzeichnen – konnte deshalb auf ihren Charakter keinen günstigen Einfluß, keine moralische Wirkung ausüben. Er war ehrlich bestrebt gewesen, gute Menschen aus ihnen zu machen, doch seine Bemühungen hatten sich auf die Ausbildung ihres Geistes und auf die Tadellosigkeit ihrer Manieren gerichtet und nicht
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