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Maedchenjagd

Maedchenjagd

Titel: Maedchenjagd
Autoren: Nancy Taylor Rosenberg
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schlimmsten Tage deines Lebens wieder und wieder erleben? Vielleicht ist es genau das, was du die ganze Zeit getan hast. Der Grund, warum du immer wieder zu diesem einen Tag mit Jennifer zurückkehrst, ist, weil du sie ermordet hast. Weil du deinen Teil der Abmachung nicht erfüllt hast, wurde deine Tat der Barmherzigkeit gegenüber Jennifer zum Mord. Vor Gott ist Mord eine schwere Sünde, eine Sünde, die mit der ewigen Verdammnis bestraft wird.«
    »Ich muss also zuerst sterben?«, fragte er und blinzelte nervös. »Aber ich will, dass wir gemeinsam gehen. Ich will nicht allein sterben. Sobald ich tot bin, wirst du die Polizei rufen.«
    »Das stimmt nicht, Alex«, erklärte sie ihm mit sanfter, tröstender Stimme. »Ich habe Angst, dass mich die Polizei zurück ins Gefängnis schicken wird. Ich war schon einmal im Gefängnis, weil ich einen Mann getötet habe. Shana hat dir das natürlich nie erzählt, aber es ist wahr. Ich bin diejenige, die nach Whitehall hätte gehen müssen, nicht Shana. Alle halten mich für verrückt, sogar Shana tut das. Ich litt unter Wahnvorstellungen, als ich Shana dort eingeliefert habe. Verstehst du? Ich bin schizophren. Ich höre Stimmen. Genau wie du will ich nichts als sterben.«
    »Wirst du mich festhalten?«
    »Ja.« Aus Lilys Augen quollen Tränen. »Das verspreche ich dir, Alex.« Von Trauer überwältigt, konnte sie nicht anders, als ihn für sein Leben voller Qualen zu bemitleiden. Kurz wanderte ihr Blick zu Shana. Falls sie nicht mehr lebte, würde Alex’ Tod sie ihr nicht zurückbringen. Mit diesen Überlegungen konnte sie sich jetzt jedoch nicht auseinandersetzen. Wenn Alex sich tötete, würde sein Tod für den Rest ihrer Tage auf ihrem Gewissen lasten, genau wie der von Bobby Hernandez. Vielleicht sollte sie abwarten, ihn hinhalten, vielleicht würde die Polizei sie rechtzeitig finden und ihn festnehmen. Aber sie durfte dieses Risiko nicht eingehen, nicht, wenn das Leben ihrer Tochter auf dem Spiel stand.
    Alex wandte sich um und ging durch das Zimmer. Sie beobachtete, wie er eine Spritze nahm und mit der gleichen Droge befüllte wie das letzte Mal. War sie für Shana oder sie selbst gedacht? Sollte sie losrennen, flüchten? Dann sah sie, wie er sich die Nadel in die Vene stach. Er füllte neue Flüssigkeit in die Spritze und injizierte sie ein weiteres Mal. Über die Schulter warf er Lily ein schwaches Lächeln zu. Er setzte sich eine Spritze nach der anderen, bis die Ampulle leer war. Ungeschickt griff er nach einer weiteren kleinen Flasche auf der Kommode und wiederholte den Vorgang, bis auch sie leer war.
    Sein linker Arm war blutverschmiert. Die Augen waren schmale Schlitze, und er torkelte und strauchelte auf das Bett zu, doch auf dem Weg stürzte er. »Halt mich fest. Bitte, halt mich fest. Es wird schnell gehen.«
    Lily stand vom Bett auf, legte ihre Hand unter seinen Kopf und zog ihn an die Brust. Jetzt konnte er ihr nichts mehr tun. Sie wollte aufstehen und nach Shana sehen, doch etwas hielt sie zurück. Es war, als sei sie in seinen Geist geschlüpft, als sei sie ein Teil von ihm geworden. Stille hüllte sie beide ein.
    Die Zeit stand still.
    Sie hielt ihn fest, streichelte sein Haar und sah ihm ins Gesicht. Sie bewegte sich nicht, sagte kein Wort. Sie war ganz auf den Augenblick konzentriert. Als seine Hand schlaff wurde und die Pistole auf den Boden glitt, machte sie keine Anstrengungen, sie zu fassen zu kriegen.
    »Bitte«, flüsterte er kaum hörbar, »sag mir, dass du mich liebst.«
    »Ich liebe dich, Alex.« Flüchtig sah sie zu Shana hinüber, dann blickte sie wieder auf Alex. Nie zuvor hatte sie solchen Schmerz, solch schwere Gefühle erlebt, und diese Gefühle galten nicht nur Shana, sondern auch dem Mann in ihren Armen.
    Seine Augen schlossen sich. Aus seinem Gesicht verschwand das Leid, und er sah ganz friedlich aus. Sie wiegte ihn in den Armen, bis es vorbei war, bis sein Körper sich nicht mehr regte und er nicht mehr atmete.
    Plötzlich tauchte vor Lilys Augen ein Lichtblitz auf, der so hell war, dass er ihr den Atem nahm. Ruhe und das Gefühl von Schönheit überfluteten sie. So schnell, wie es gekommen war, verschwand es wieder. Sie wickelte sich ein Laken um den Körper und eilte ans Bett ihrer Tochter.
     
     
    Als Shana ihre Augen öffnete, sah sie über sich das Gesicht ihrer Mutter und das Zimmer voller Leute: Polizeibeamte, Sanitäter, zwei FBI -Agenten und mehrere Detectives, erkennbar an den Abzeichen am Gürtel.
    Lily war nicht dazu
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