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Linksträger: Roman (German Edition)

Linksträger: Roman (German Edition)

Titel: Linksträger: Roman (German Edition)
Autoren: Tim Boltz
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x-mal gebeten, das Wort Ostzone ein für alle Mal aus ihrem Wortschatz zu streichen. Wie es scheint, mit mäßigem Erfolg. »Und, alles okay?«
    Ich schließe kurz die Augen und atme tief ein. »Ja, alles super.«
    »Das freut mich, mein Junge.«
    »Hat das denn nicht bis nächste Woche Zeit?«
    »Nein, wir bekommen doch Besuch von Onkel Rolf aus München. Du weißt, wie penibel sie sind. Wenn die Gästetoilette nicht funktioniert, können wir uns in den nächsten Jahren nicht mehr bei denen blicken lassen.«
    »Und wäre das so schlimm?«
    »Für mich nicht. Aber du weißt ja, wie Mama auf solche Dinge reagiert.«
    Ja, das weiß ich nur allzu gut.
    »Also gut.« Ich reibe mir die Augen und versuche, meine Gedanken zu ordnen. Ich sehe die Gästetoilette meiner Eltern genau vor mir. »Pass auf, Papa, leg den Hörer mal daneben, und ich sag dir, was du machen musst. Es ist gar nicht so schwer.«
    »Prima. Warte, ich leg dich hier oben auf den Klodeckel und krieche hinter das WC .«
    Ich höre, wie mein Vater sich ächzend auf den Boden legt und unter dem Gäste- WC verschwindet. Obwohl ich ihn noch gut höre, beginnt er zu rufen.
    »Okay, ich lieg jetzt genau drunter. Aber die Mutter wackelt. Vielleicht sollte ich zum Baumarkt und auch davon ’ne neue holen.«
    »Nein, das geht schon. Die Mutter ist zwar alt, aber das funktioniert trotzdem.«
    »Brauch ich Handschuhe oder irgendeinen anderen Schutz? Du weiß schon, wegen der Fäkalien.«
    »Nein, du brauchst keinen Schutz. Das ist in fünf Minuten erledigt, und dann hast du die nächsten Jahre erst mal wieder Ruhe.«
    »Okay. Also ich versuche jetzt, das Rohr draufzuschieben, aber die Mutter will einfach nicht. Die hält nicht still und dreht sich ständig mit.«
    »Wie, die Mutter hält nicht still? Kannst du sie greifen?«
    »Ja.«
    »Gut, dann halt sie mit der einen Hand von hinten fest, und mit der anderen drückst du zu.«
    Mein Vater stöhnt so laut in den Hörer, dass ich ihn mir vorm Ohr fernhalten muss. Es dringen laute Schreie hervor, gefolgt von mehreren Flüchen.
    »Du blödes Teil, jetzt halt schon still. Okay, ich glaub jetzt hab ich sie.«
    »Na siehst du. So, jetzt setzt du das Rohr einfach an und schiebst es langsam rein. Schön vorsichtig, die alten Dinger reißen schnell auf, und dann läuft die ganze Suppe durch die Gegend.«
    »Es will nicht rein, Robert. Das PVC -Rohr scheint einen größeren Durchmesser zu haben. Oder ich bin zu blöd.«
    »Nein, kein Problem. Das liegt nicht an dir, das liegt an der Scheißmutter. Die ist halt schon alt und seit Jahrzehnten nicht mehr bewegt worden. Also, pass auf. Hast du Vaseline?«
    »Vaseline? Nein, Vaseline habe ich nicht, aber ich hab in der Werkstatt noch eine Dose Schmierfett gefunden. Geht das auch?«
    »Ja, Schmierfett geht auch. Reib dein Rohr vorn großzügig ein, damit es besser flutscht.«
    »Wie viel soll ich nehmen?«
    »Wie viel? Du kannst ruhig ’ne ordentliche Ladung draufschmieren. Der Rest verläuft sich innen und wird später einfach ausgespült. Da bleibt nichts zurück.«
    »Okay, hab ich.«
    »So, jetzt setzt du es noch mal an. Leicht drehen – und wenn es reingleitet, schiebst du den Rest fest nach.«
    Wieder dringt angestrengtes Stöhnen an mein Ohr, doch dann scheint es zu funktionieren.
    »Es geht.«
    »Kommt’s?«
    »Ja, langsam kommt’s. Es schiebt sich Stück für Stück über das PVC-Rohr.«
    »Hau zur Sicherheit noch mal hinten drauf, nicht dass es gleich wieder nicht geht und alles rausläuft. Onkel Rolf ist da ja ein wenig eigen.«
    Mein Vater tut wie ihm geheißen, dann greift er wieder zum Telefon, hörbar erleichtert. »Dank dir, Robert. Jetzt gibt Mutti wieder Ruhe und Onkel Rolf auch.«
    »Ach Quatsch, gern geschehen. Das Problem mit der Mutter hab ich auch schon ein paarmal gehabt. Also, mach’s gut.«
    »Und grüß Jana von uns.«
    »Mach ich. Grüß du mir Onkel Rolf. Ciao.«
    Ich setze mich auf. Mein Kopf fühlt sich noch immer bleiern an. Mal sehen, ob es in diesem Haus so etwas wie Aspirin gibt. Ich stehe auf und sehe erst jetzt, dass Tante Gerti im Stuhl hinter dem Sofa sitzt. Sie ist kreidebleich. Starr hält sie ihre Stricknadeln in den Händen und blickt mich an. Was ist denn nun schon wieder? Hat sie wieder Angst, dass ich ihr an die Filinchen will?
    Ich versuche es dennoch mit Höflichkeit: »Oh, Tante Gerti. Ich hatte Sie gar nicht bemerkt. War mein Vater. Na ja, man hilft eben, wo man kann.«
    Doch Tante Gerti regt sich nicht. Ich habe keine Ahnung,
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