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Lilith Parker: Insel Der Schatten

Lilith Parker: Insel Der Schatten

Titel: Lilith Parker: Insel Der Schatten
Autoren: Janine Wilk
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nicht altmodisch wirkten und das Metall den Glanz des Lichtes spiegelte, erweckte das Amulett den Eindruck, schon ungeheuer alt zu sein. Am meisten faszinierte Lilith jedoch der reine und vollkommen runde Bernstein, der jeden Lichtstrahl in ein goldenes Schimmern verwandelte. In der Mitte des Steins schien etwas eingeschlossen zu sein, womöglich ein Insekt, doch es war zu klein, um es zu erkennen. Auch konnte Lilith selbst bei genauerer Betrachtung nicht feststellen, von was der Stein im Inneren des Zepters gehalten wurde. Es war ein wirklich außergewöhnliches Schmuckstück.
    Doch etwas war seltsam gewesen. Ihr war aufgefallen, dass ihr Vater darauf bedacht war, das Amulett auf keinen Fall zu berühren. Als sie ihn gebeten hatte, das Schmuckstück aus der Schatulle nehmen zu dürfen, hatte er nur wortlos genickt und sie nervös beobachtet. Lilith legte es sich vorsichtig um den Hals und fühlte sich einen Atemzug lang vom Kopf bis zu den Zehenspitzen wie von einem wärmenden Energiestrahl durchdrungen. Aber dies lag wahrscheinlich nur an ihrer Aufregung. Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich ihrer Mutter so nah gefühlt wie in diesem Moment. Als Lilith ihrem Vater nach einigen Minuten das Amulett wieder zurückgab, kämpfte sie immer noch mit den Tränen. Joseph Parker jedoch schien aus irgendeinem Grund überrascht, ja fast schockiert zu sein.
    Als sie ihren Vater einige Wochen später darum gebeten hatte, sich das Amulett noch einmal ansehen zu dürfen, war er nicht mehr dazu bereit gewesen, es aus seinem Tresor zu holen.
    So konnte Lilith an diesem Tag, allein in Vaters Arbeitszimmer und vor dem geöffneten Tresor, nicht widerstehen. Sie klappte die Schatulle auf und wieder raubte ihr die Schönheit des Amuletts den Atem. Zu welchen Anlässen ihre Mutter diese Kette wohl getragen hatte? Das Schmuckstück war sehr auffällig, wahrscheinlich war sie damit der Mittelpunkt jeder Veranstaltung gewesen.

    Plötzlich keimte in Lilith eine Idee. Wenn ihr Vater nicht bereit war, ihr mehr über ihre Mutter zu verraten, so konnte es vielleicht das Amulett. Lilith biss sich nachdenklich auf die Lippe. Aber würde sie damit nicht ihren Vater hintergehen? Mit zitternden Fingern strich sie über das Schmuckstück. Wie schon beim ersten Mal erfüllte sie dabei eine tiefe Ruhe und Sicherheit. Wie aus weiter Ferne nahm sie wahr, dass die Haustüre ins Schloss fiel. Das Geräusch ließ Lilith zusammenzucken. Ihr Vater war zurückgekehrt. Sie musste sich entscheiden.
    Als Joseph Parker wenige Sekunden später das Arbeitszimmer betrat, war Lilith verschwunden und die Schatulle lag wieder im Tresor. Sie war leer.
    Der Schaffner zog die Tür des Abteils auf und riss Lilith aus ihren Gedanken. Sie fuhr erschrocken in die Höhe, sodass der rote Energydrink aus der Dose schwappte und sich über ihre Jacke und das weiße T-Shirt ergoss. Im Nu sah es aus, als sei es von Blut durchtränkt. Damit würde ihre Tante Mildred sicherlich einen großartigen ersten Eindruck von ihr bekommen!
    »Oh, verfluchte Sch…« Lilith konnte sich gerade noch rechtzeitig stoppen. Sie hatte mit ihrem Vater und ihren Lehrern schon oft genug Ärger bekommen, weil sie so herzhaft fluchen konnte. Clara meinte immer, selbst gestandene Hafenarbeiter würden vor Scham rot werden, wenn Lilith richtig loslegte.

    »Na, na, junge Dame!«, rügte sie der Schaffner schmunzelnd. »Wenn ich dich nicht schon kontrolliert hätte und wüsste, dass du ein Ticket hast, hätte ich dich gerade garantiert für einen Schwarzfahrer gehalten. So schuldbewusst zucken nur die zusammen, die ein schlechtes Gewissen haben.«
    Lilith spürte, wie sie rot wurde. Der Schaffner wusste ja nicht, wie recht er hatte.
    »Hast du nicht gesagt, dass du nach Bonesdale auf die Insel St. Nephelius reist?«, erkundigte er sich.
    Lilith nickte.
    »Zwei Waggons weiter sitzt ein Junge mit seiner Mutter, die dasselbe Reiseziel haben. Ich habe ihnen erzählt, dass du alleine unterwegs bist. Sie würden sich freuen, wenn du dich ihnen anschließt.« Der Schaffner nickte ihr aufmunternd zu. »Ihr müsst euch nachher in Greynock beeilen, um noch rechtzeitig die letzte Fähre zu erreichen. Könnte knapp werden, da wir etwas Verspätung haben.«
    »Ich werde die beiden gleich suchen gehen«, versprach Lilith. »Vielen Dank!«
    »Du kannst sie nicht verfehlen. Es sind kaum noch Leute im Zug.« Der Schaffner tippte sich an die Mütze und wandte sich zum Gehen. Dabei blieb sein Blick an Liliths Amulett hängen,
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