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Liebe ist staerker als Haß

Titel: Liebe ist staerker als Haß
Autoren: Jude Deveraux
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Oliver vertrat die Ansicht, daß dieser »Jüngling« seinen Brüdern nie gleichkommen würde.
    Am zweiten Nachmittag erhielt Oliver die Nachricht, daß Severn Peregrine am Marshall-Turnier teilnehmen wolle. Gerüchteweise verlautete dazu, er werde bei dieser Gelegenheit versuchen, Lady Annes Hand für eine Ehe zu gewinnen.
    Oliver war über diese Idee sehr erfreut. »Ich werde ihn dort gefangennehmen lassen.«
    Gähnend fragte ihn Tearle: »Unter den Augen des Königs? Ich kann mir nicht vorstellen, daß Annes Vater es gern sähe, daß du diese Fehde in sein Land hineinträgst.«
    Oliver spitzte die Ohren wie ein Jagdhund. «Anne heißt sie, ja? Kennst du die Frau?«
    »Nur vom Sehen. Sie hat eine Zeitlang in Frankreich gelebt.«
    »Dann wirst du auch hinreiten.«
    »Zum Turnier? Als Spitzel gegen den Mann auf Freiersfüßen?«
    Olivers Augen glänzten wie im Fieber. »Ja. Du beobachtest ihr Treiben und berichtest mir über ...«
    Tearle setzte sich auf. »Ihr Treiben? Wer nimmt denn außer dem zweiten Bruder noch daran teil?«
    Oliver schnaufte. »Der Jüngling geht als sein Knappe mit. Da er sich keinen richtigen Schildknappen erlauben kann, muß er seinen Bruder nehmen. Er wird sich lächerlich machen, denn sie sind eine schmutzige, rohe Bande, während die Marshalls Menschen von erlesener Bildung sind. Wie gern würde ich selber diese Demütigung der Peregrines miterleben!«
    »Gut, ich reite hin«, sagte Tearle.
    Oliver grinste. »Du wirst gegen ihn kämpfen. Und ich muß dabeisein. Ich muß das sehen, wie ein Howard auf dem Turnierplatz einen Peregrine aus dem Sattel holt. Der König ... die ganze Welt ... soll erleben, wie ein Howard ...«
    »Ich kämpfe nicht gegen ihn«, versetzte Tearle. Wenn er sich öffentlich als Howard zu erkennen gab, würde er nie Gelegenheit haben, sich der jüngsten Peregrine zu nähern. »Ich gehe in Verkleidung.« Bevor Oliver widersprechen konnte, fuhr Tearle fort: »Und ich werde sie bespitzeln.« So nährte er Olivers Besessenheit. »In England weiß noch kein Mensch, daß ich zurückgekehrt bin. Ich werde zum Turnier reiten ... unter dem Namen Smith. Ich beobachte sie und erfahre dabei mehr über die Peregrines, als wenn ich mich als ihr Feind vorstelle.«
    Oliver sah seinen Bruder an. Sein Blick hellte sich auf. »Ich glaubte schon, nicht recht gehört zu haben«, sagte er leise. »Aber ich hätte nicht daran zweifeln sollen, daß du von unserem Blute bist.«
    Lächelnd erwiderte Tearle den Blick seines Bruder. Er empfand nicht die geringste Scham darüber, daß er ihn hintergehen wollte. Olivers Haß auf diese Familie verdiente seine Achtung nicht. Ich werde sie im Gegenteil beschützen, dachte er. Ich werde dafür sorgen, daß den Peregrines kein Leid zugefügt wird, keine verirrten Pfeile, keine Steine, die vom Dach fallen, keine durchgeschnittenen Sattelgurte. Diesmal sollen sie vom Haß der Howards nichts zu fürchten haben.
    »Nein, du hättest wirklich nicht an mir zweifeln sol-len«, sagte Tearle. »Ich bin, was ich immer war. Ich habe mich nie geändert.«
    Oliver runzelte die Stirn. Doch gleich darauf lächelte er. »Ja, ich verstehe. Du bist stets ein Howard gewesen. Wann brichst du auf?«
    »Jetzt«, sagte Tearle und erhob sich. Er hatte genug von Olivers giftigen Reden. Aber vor allem wollte er mit Anne Marshall sprechen. Er hatte seinem Bruder nicht die Wahrheit gesagt, als er vorgab, er kenne Anne nicht näher. Er hatte sie schon auf den Knien geschaukelt, als sie noch ein Kind war, hatte ihr die Tränen vom Gesicht geküßt, wenn sie hingefallen war, hatte ihr vor dem Schlafengehen Geistergeschichten erzählt und war von ihrer Mutter zurechtgewiesen worden, weil Anne deshalb nachts schreiend aufgewacht war. Später hatte Anne ihn beim Tod seiner Mutter getröstet. Aber da war sie schon erwachsen gewesen.
    Denn eines stand fest: Wenn er bei dem Marshall-Turnier verkleidet erscheinen wollte, mußte er vorher Anne aufsuchen und sie von seinen Plänen unterrichten.
    Tearle saß auf der Gartenmauer und sah zu, wie Anne mit ihren Ladys lustwandelte. Wie üblich las eine Lady laut aus einem Buch vor. Tearle hatte Anne oft wegen ihres Lerneifers geneckt. Sie war ständig in ein Buch versunken.
    An den Ast eines alten Apfelbaumes gelehnt, genoß er lächelnd den Anblick. Die Frauen in ihren leuchtenden Gewändern, dem hübsch gearbeiteten, mit Juwelen und Gazeschleiern verzierten Kopfschmuck waren herrlich anzusehen. Aber Anne stach unter allen diesen Frauen hervor.
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