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Lennox 01 - Lennox

Titel: Lennox 01 - Lennox
Autoren: Craig Russell
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nackten Knöcheln.
    »Ich fahre Sie nach Hause«, sagte Ferguson. »Warten Sie hier, ich hole den Wagen.«
    Als wir kurz darauf in Fergusons Morris durch die Stadt fuhren, fragte ich: »Was ist denn mit dem McGahern-Fall? McNab hat nach irgendetwas gebohrt. Und er war verdammt sauer, als er einsehen musste, dass er an der falschen Stelle bohrte.«
    Ferguson bot mir eine Zigarette an. Ich lehnte kopfschüttelnd ab, und er steckte sich selbst eine an. »Sie kennen diese Stadt«, sagte er. »Zwei, vielleicht drei Millionen Menschen sind hier eingepfercht, aber sie ist trotzdem noch ein Dorf. Jeder kennt jeden, jeder weiß, wer was tut, und für wen. Aber die McGahern-Morde haben jeden überrascht. Niemand weiß, wer sie begangen hat, oder warum. McNab steht unter Druck, die Morde aufzuklären. Unter gewaltigem Druck von ganz oben. Und das Problem mit Druck von oben ist, dass er sich nach unten fortsetzt.«
    »Ich weiß«, sagte ich. »Bis runter in mein Genick.«
    »Aber McNab hat nicht den geringsten Hinweis. Deshalb greift er nach Strohhalmen. Sie hatten vorhin das Pech, dass Sie einer dieser Strohhalme waren.«
    »Haben Sie eine Idee?« Wir waren das einzige Auto auf den Straßen und überholten ein mit Kohle beladenes Pferdegespann und mehrere bemützte Arbeiter auf Fahrrädern, die zur Frühschicht fuhren. Ich drehte leicht den Kopf und wurde von einem stechenden Schmerz an meine Begegnung mit McNabs rotwangigem Ackerknecht erinnert.
    »Ich?« Ferguson schnaubte. »Nein. Meine Unwissenheit ist wahrhaft selig. Ich versuche mich da rauszuhalten. Genau wie Sie. Bedeutet mehr Ärger, als es wert ist.«
    Wir sprachen nicht mehr viel, bis Ferguson vor meiner Wohnung am Straßenrand hielt. Als ich ausstieg, beugte er sich über den Beifahrersitz vor.
    »Ich an Ihrer Stelle würde mich eine Zeitlang bedeckt halten, Lennox. Falls Sie mit dem Gedanken spielen, Ihre Nase da reinzustecken ... überlegen Sie es sich lieber noch mal.«
    Ich blickte dem Morris hinterher, als er auf der Great Western Road davonfuhr. Ich traute Ferguson so weit, wie ich einem Bullen überhaupt getraut hätte. Doch irgendetwas ließ mir keine Ruhe.
    Warum kam es mir so vor, als hätte Ferguson gerade den Schlusssatz für McNab geliefert?
     
    Meine Bleibe befand sich im Obergeschoss einer ansehnlichen viktorianischen Villa an der Great Western Road. Ich teilte den Eingang mit meiner Hauswirtin, Mrs. Fiona White, die mit ihren beiden Töchtern im Erdgeschoss wohnte. Sie musste es gewesen sein, die mitten in der Nacht die Polizei eingelassen hatte.
    Als ich die Haustür öffnete, wartete sie auf mich. »Sie sehen aus, als würde Ihnen eine Tasse Tee guttun«, sagte sie ernst.
    Ich folgte ihr in die Küche ihrer Wohnung. Mit verschränkten Armen lehnte sie sich an die Anrichte.
    »Sie sehen übel aus«, sagte sie ohne jede Anteilnahme. »Mr. Lennox, es geht nicht an, dass die Polizei mitten in der Nacht an meine Tür klopft.«
    »Möchten Sie, dass ich ausziehe, Mrs. White?«
    »Das habe ich nicht gesagt. Aber wir wohnen in einer anständigen Gegend. Bei mir standen heute Morgen die Nachbarn Schlange und fragten, was los gewesen sei. Man hält Sie hier bereits für einen Axtmörder.«
    »Woher wollen Sie wissen, dass ich keiner bin?«
    »Weil man Sie dann wahrscheinlich nicht hätte gehen lassen.« Sie zündete sich eine Zigarette an und warf die Schachtel auf den Küchentisch. »Bedienen Sie sich. Ich muss an meine Kinder denken, Mr. Lennox. Ich möchte nicht, dass sie etwas davon mitbekommen.«
    »Ich war bloß ein Zeuge, Mrs. White. Kein Beschuldigter.«
    »Ich wusste gar nicht, dass die Polizei Zeugen mitten in der Nacht bewusstlos aus ihren Häusern schleppt.«
    »Man hat eine Weile gebraucht, bis klar war, dass ich nur ein Zeuge bin.« Ich trank von meinem Tee. Er war süß und heiß und linderte das Pochen in meinem Schädel. Ich war überhaupt nicht in Stimmung, mich auch noch von meiner Hauswirtin in den Schwitzkasten nehmen zu lassen.
    Ein Bäckerwagen hupte auf der Straße. Mrs. White entschuldigte sich auf eine Art, die »Wir sind noch nicht fertig« signalisierte, nahm ihre Handtasche und eilte hinaus. Ich sah ihr hinterher. Sie war eine attraktive, schlanke Frau und hatte Wangen und Augen wie Katherine Hepburn; sie wäre noch schöner gewesen, hätte auf ihrem Gesicht nicht ständig ein Schleier trauervoller Müdigkeit gelegen. Fiona White konnte höchstens fünfunddreißig oder sechsunddreißig sein, sah aber älter aus.
    Ich hing ein
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