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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy
Autoren: Laurence Sterne
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nicht durch Aussprechen einer unwahrscheinlichen Behauptung erschüttern, so unbestreitbar dieselbe auch an sich wäre; und so beschränke ich mich darauf zu sagen, er wurde ohne die geringste Aenderung oder Versetzung eines einzigen Buchstaben, vor ich weiß nicht wie langer Zeit genau so geschrieben. Das ist mehr als ich von der Hälfte der besten Namen im Königreich sagen möchte, die im Allgemeinen im Lauf der Jahre ebenso viele Püffe und Wechsel erfahren haben wie ihre Eigentümer. War hieran der Stolz oder die Scham der Besitzer schuld? Wenn wir ehrlich sein wollen, so müssen wir sagen, daß bisweilen der eine, bisweilen die andere die Schuld trug, wie eben gerade die Versuchung wirkte. Aber es ist und bleibt eine abscheuliche Sache und wird uns eines Tages Alle so unter einander bringen, daß Keiner mehr aufstehen und schwören kann, sein Urgroßvater sei der Mann gewesen, der dies oder jenes gethan habe.
    Gegen einen solchen Uebelstand hat sich die kluge Vorsicht der Familie Yorick hinreichend verwahrt durch die fromme Aufbewahrung der angeführten Urkunde, die uns ferner unterrichtet, daß die Familie ursprünglich dänischer Abkunft gewesen, aber schon unter der Regierung des Königs Horwendittus von Dänemark nach England gekommen sei. Am Hofe dieses Königs hatte ein Vorfahre unseren Herrn Yorick, von dem dieser direct abstammt, einen hohen Posten bis zu seinem Tode inne. Welcher Natur dieser hohe Posten gewesen, sagt die Urkunde nicht; sie fügt nur hinzu, derselbe sei seit 200 Jahren als gänzlich unnöthig nicht nur an diesem Hofe, sondern überhaupt an jedem christlichen Hofe gänzlich abgeschafft.
    Es ist mir öfter durch den Kopf gefahren, der Posten sei gewiß kein anderer gewesen, als der eines ersten Spaßmachers des Königs, und Hamlets Yorick in unserem Shakespeare, dessen Stücke ja zum großen Theil auf authentischen Thatsachen beruhen, sei gewiß jener Mann gewesen.
    Ich habe nicht die Zeit, um in Saxo Grammaticus dänischer Geschichte nachzusehen, ob sich die Sache wirklich so verhält; wenn Sie aber Muße haben und das Buch leicht bekommen können, so können Sie das ja ebenso gut thun.
    Auf der Reise, die ich mit Herrn Noddy's ältestem Sohn durch Dänemark machte, den ich im Jahre 1741 als Hofmeister begleitete, wobei wir eine merkwürdige Strecke durch den größten Theil von Europa mit unglaublicher Schnelligkeit zurücklegten und von welcher durch uns Zwei ausgeführten originellen Reise im Verlauf dieses Werkes eine sehr ergötzliche Beschreibung folgen soll; – auf dieser Reise also hatte ich nur so viel Zeit, um die Wahrheit einer durch einen länger dort Lebenden gemachten Bemerkung zu bestätigen – nämlich: Daß die Natur bei der Austheilung von Genie und Talenten an die Bewohner jenes Landes, weder sehr verschwenderisch noch sehr karg gewesen sei, sondern wie ein umsichtiger Vater gegen Alle mäßig freundlich gehandelt habe; indem sie die Leute hier zu Lande fast ganz gleichmäßig beschränkte, so daß man in jenem Reich nur wenige Beispiele höherer Begabung, dagegen aber in allen Klassen des Volks sehr viel gesunden Hausverstand findet, von dem ein Jeder seinen Theil bekommen hat, – was wie ich glaube, sehr richtig ist.
    Bei uns ist wie Sie wissen, die Sache ganz anders: wir stehen entweder hoch oben oder tief unten – Sie sind ein großes Genie, mein Herr – oder es ist 50 gegen Eins zu wetten, daß Sie ein großer Esel und Blechschädel sind; nicht daß es hier vollständig an Zwischenstufen fehlte, nein, so außer aller Ordnung sind wir nicht; aber jene zwei Extreme sind allgemeiner und in einem größeren Maße auf dieser verschrobenen Insel vorhanden, wo die Natur bei Austheilung ihrer Gaben und Talente in dieser Richtung höchst launenhaft und bizarr verfährt; so daß das Glück selbst bei Austheilung seiner Güter nicht grillenhafter als sie sein kann.
    Dieser Umstand aber war es allein, der meinen Glauben an Yoricks Abstammung wankend machte, denn nach Allem was ich von ihm weiß und was ich über ihn zusammenbringen konnte, scheint er nicht einen Tropfen dänischen Bluts in seinem ganzen Organismus besessen zu haben; in 200 Jahren mochte freilich alles davon gelaufen sein; darüber will ich mit Ihnen auch nicht einen Augenblick philosophiren; denn mochte geschehen sein was wollte, die Thatsache war die: daß statt des kalten Phlegma und der genauen Regelmäßigkeit von Geist und Gemüth, wie man sie an einem Mann solcher Abstammung finden sollte, er im
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