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Lacunars Fluch, Teil 3: Wüstensöhne

Lacunars Fluch, Teil 3: Wüstensöhne

Titel: Lacunars Fluch, Teil 3: Wüstensöhne
Autoren: Jutta Ahrens
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und streichelte den kühlen Marmor, als berühre er Jaryns warme Haut. Behutsam zeichneten seine Finger die schlichten Worte nach, folgten den eingegrabenen Linien und Rundungen: ›Prinz Jaryn von Fenraond‹. Es war eine magische Handlung, seinen Namen zu schreiben, so als könne er ihn damit wieder ins Leben zurückholen. Flüsternd hielt er Zwiesprache mit ihm. Konnte Jaryn ihn hören? Wohin gingen die Toten?
    Er lehnte seine Stirn an den Stein, der ihn von seinem Freund trennte, den er so gern noch ein letztes Mal gesehen hätte. Jetzt reute es ihn, dass er die Gelegenheit versäumt hatte. Ein qualvolles Schluchzen, so lange zurückgehalten, brach aus ihm hervor und schüttelte seinen ganzen Körper. Hatten sie nicht noch tausend Abenteuer miteinander erleben wollen? Überwältigt von Schmerz sank er auf den Boden. Er fand nicht die Kraft, sich von diesem Platz zu entfernen, wo er glaubte, Jaryn immer noch nahe zu sein. Er wusste, dass es schwierig werden würde, ihn regelmäßig zu besuchen, weil er als Mondpriester hier unerwünscht war. Jaryn würde man mit der Zeit vergessen, aber die Feindschaft zum Mondtempel bliebe bestehen.
    Stunden mochten vergangen sein, als Caelian spürte, dass ihn jemand am Ärmel zupfte. Er war tatsächlich eingeschlafen. An seinen Traum konnte er sich nicht mehr erinnern. Verwirrt sah er sich um. Saric stand vor ihm. »Ich dachte mir, dass ich dich hier finden würde.«
    Caelian erhob sich stöhnend. Ihm war kalt. »Ich muss eingeschlafen sein. Warum hast du mich gesucht?«
    »Suthranna hat nach dir gefragt. Er macht sich Sorgen um dich.«
    »Sorgen!«, stieß Caelian aufgebracht hervor. »Jetzt, wo Jaryn tot ist, wo alles verloren ist, macht er sich Sorgen. Warum hat er ihm nicht geholfen? Er und die anderen, die sich so großer Gelehrsamkeit rühmen, was hat sie ihnen nun genützt? Die Grausamkeit und das Recht des Stärkeren haben gesiegt, und alle Weisheit der Welt ist davor zuschanden geworden.«
    Saric seufzte. Was sollte er Caelian antworten? Er gab ihm recht, aber damit war nichts gewonnen. Man musste sich mit den Dingen abfinden, so wie sie waren, das hatte man ihm beigebracht. Auch Jaryn hatte sie verändern wollen. Saric hatte ihn dafür bewundert, aber gleichzeitig um die beharrenden Kräfte Margans gewusst, die nun schon seit undenklichen Zeiten hier herrschten. Seine Befürchtungen, dass Jaryn ihnen nicht gewachsen sein könnte, waren immer groß gewesen und hatten ihn traurig gemacht.
    »Die weisen Männer sind nicht unfehlbar und ebenso niedergeschlagen wie du, Caelian. Aber sie müssen sich um die Lebenden kümmern.«
    Caelian sah ihm forschend in das blasse, ernste Gesicht. »Du bist so schrecklich abgeklärt, Saric. So ekelhaft nüchtern und sachlich wie alle Sonnenpriester. Habt ihr überhaupt Gefühle unter euren heiligen Gewändern?«
    Sarics Mundwinkel zuckten schmerzlich. »Du tust mir Unrecht, Caelian. Für Jaryn wäre ich in den Tod gegangen, aber es hätte nichts geholfen.«
    »Nichts geholfen!«, wiederholte Caelian erbittert. »Vielleicht wäre ein sinnloser Tod besser als ein sinnloses Leben. Wenigstens den Schmerz müsste man nicht mehr spüren.«
    »Wer sich vor dem Schmerz in den Tod flüchtet, will die Verantwortung nicht mehr tragen, die ihm das Leben auferlegt. Jaryn starb für seine Überzeugung. Du weißt, er hätte fliehen können. Wir Lebenden sind aufgerufen, an seinem Vermächtnis festzuhalten, jeder nach seinen Fähigkeiten.«
    »Oh diese vernünftigen Reden!«, stöhnte Caelian. »Mit Jaryn ist alle Hoffnung dahin.« Aber er gab Saric heimlich recht und schämte sich seiner Schwäche.
    »Komm, ich bringe dich zu Suthranna, er wartet oben in der Halle auf dich.«
    Caelian küsste den kalten Marmor. »Ich komme wieder, Jaryn.«
    »Besuche ihn, so oft du willst. Frage am Eingang nach mir, dann gehen wir gemeinsam hinunter.«
    Caelian konnte nicht anders, wieder musste er heftig schluchzen. Dann umarmte er Saric. »Danke, mein Freund. Und verzeih mir meine heftigen Worte. Ich weiß nicht mehr, was ich rede.«
    In der Halle verabschiedete sich Saric von Caelian. Suthranna saß allein auf einer Bank. Wie lange mochte er dort schon sitzen? Caelian schämte sich, dass er ihn hatte warten lassen. Er ging auf ihn zu. Schon wollte er sich entschuldigen, doch dann hielt er inne. Etwas missfiel ihm an Suthranna. Was war es nur? Ja. Es war seine gelassene, fast heitere Miene, die Caelian in seiner Trauer brüskierte.
    »Ich habe mich von Jaryn
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