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Kurtisanen leben gefaehrlich

Kurtisanen leben gefaehrlich

Titel: Kurtisanen leben gefaehrlich
Autoren: Michelle Natascha Weber
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schwanden. Doch er gab nicht auf, bis wir quälend langsam die Treppe erstiegen hatten und er für alle deutlich sichtbar auf ihrem Absatz zum Stehen gekommen waren.
    Die Portale Santa Filomenas leuchteten im Licht der schwindenden Nachmittagssonne golden auf und rahmten seine Gestalt mit ihrem Glanz. Andrea Luca wirkte wie ein wahrer Fürst, stolz, edel und durch nichts auf dieser Welt zu brechen. Ich stand an seiner Seite, blickte auf den Adel Terranos hinab, der abwartend zu ihm aufsah, und wusste instinktiv, was Andrea Luca nun tun musste.
    Der Priester Edeas war aus Santa Filomena getreten, die Augen weit geöffnet und von den Schrecken des Tages erfüllt. Er trug einen juwelenbesetzten, in der untergehenden Sonne hell aufleuchtenden Dolch bei sich, den er Andrea Luca unter einem zeremoniell anmutenden Singsang feierlich reichte. Der neue Fürst nahm ihn entgegen, zog die Spitze des scharfen Messers mit einem schnellen Ruck über die linke Handfläche, die Seite des Herzens, und ballte die Faust, um das Blut zu Boden tropfen zu lassen. Es vermischte sich mit dem Staub Terranos zu unseren Füßen.
    Die Stimme des Priesters erklang erneut in der heiligen Sprache. Er erhob Andrea Luca zum Fürsten über Ariezza, ließ ihn den Schwur leisten, sein Land für die Zeit seiner Herrschaft vor allen Gefahren zu schützen und seinem Volk ein guter und gerechter Fürst zu sein.
    Jubel brandete auf, nachdem der Priester verstummt war und alle Segnungen vollzogen hatte. Andrea Luca brachte den letzten Rest seiner Kraft auf, um mich an seine Seite zu ziehen und diesen Moment mit mir zu teilen, in dem sich unser beider Leben auf immer und ewig vor den Augen der Welt veränderte.
    Das letzte Licht des Tages schwand, um den Sternen über uns Platz zu machen.
     
     

Epilog
    A
lles um mich herum ist im Wandel und ich halte oft inne, um über die vergangenen Geschehnisse nachzusinnen. Es ist erstaunlich, wie nachhaltig wenige Wochen das Leben eines Menschen verändern können. Manchmal, wenn ich in der Nacht erwache und Andrea Luca an meiner Seite schläft, kann ich es kaum fassen, dass er friedlich dort neben mir liegt. Oftmals bleibt er bis zum Morgen bei mir, auch wenn ich noch immer ab und an ein leeres Kissen und eine rote Rose vorfinde, wo er zuvor geschlafen hat.
    Seine Mutter hat nach der ersten gemeinsamen Nacht an jenem verhängnisvollen Tag darauf bestanden, dass wir bis zu unserer Hochzeit getrennte Gemächer bewohnen. Ich erinnere mich gut an den Ausdruck in Andrea Lucas Augen, als sie diese Forderung aussprach. Doch selbst eine solch mächtige Artista wie Beatrice Santi vermag es nicht, alles zu kontrollieren. Und obgleich ich mir sicher bin, dass sie weiß, wo er seine Nächte verbringt, schweigt sie darüber, solange es nicht an die Öffentlichkeit dringt. Es ist ein amüsantes Spiel für uns, in der Nacht durch den Palazzo zu schleichen und dabei sämtlichen Dienern und Dienerinnen aus dem Weg zu gehen.
    Ich bin keine Kurtisane mehr und lebe nicht mehr in meinem kleinen Haus, sondern besitze meine eigenen Gemächer im Palazzo Santorini. Auch Giulia Santorini lebt mit ihren Töchtern hinter diesen Mauern, erleichtert darüber, der Tyrannei des Fürsten entkommen zu sein. Trotzdem kehre ich oft zu meinem alten Zuhause zurück, wenn ich meiner Leibwache entrinnen kann. Dort fällt es leicht, in die Erinnerung an eine Vergangenheit einzutauchen, in der Andrea Lucas Kopf in so mancher Nacht über dem Geländer aufgetaucht ist. Manchmal tut er dies noch immer, aber auch sein Leben hat sich verändert. Der ehemals freie und ungebundene Terrano muss nun die Verpflichtungen eines Fürsten erfüllen und sein Land regieren.
    Für uns beide ist es ungewohnt, in diesen neuen Rollen aufzutreten. So wie auf dem ersten Ball nach der feierlichen Zeremonie, in der er offiziell und in Anwesenheit der Oberhäupter Terranos, zum Herrscher über Ariezza ausgerufen worden ist. Es war ein merkwürdiger Anlass für mich, die stets hinter einer Maske verborgen die Welt beobachtet hat. Ich trug weder die Maske einer Kurtisane noch den Schleier einer Artista und war den Blicken aller Gäste in der Nacktheit meines Gesichts schutzlos ausgeliefert. Es ist etwas, mit dem zu leben ich erst lernen muss.
    Ohnehin ist eine Zeit des Lernens für mich angebrochen. Oft fühle ich mich, als sei ich erneut in der Obhut Signorina Valentinas, denn ich kann es nicht vermeiden, von Signora Santi in die Wege einer Artista eingeweiht zu werden.
    Beatrice
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