Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kreuzweg der Zeit

Kreuzweg der Zeit

Titel: Kreuzweg der Zeit
Autoren: Andre Norton
Vom Netzwerk:
– doch jetzt war er einer der ihren, und dieser Eindringling konnte nur ein Feind sein.
    Kein Klicken der Tür, keine Bewegung innerhalb des Büros. Aber dann hörte er ein ganz leises Kratzgeräusch, als mache sich jemand am Schloß zu schaffen. Das dauerte nur einen Augenblick. Der Fremde war vielleicht selbst ebenso intensiv am Horchen wie Blake.
    Auf das, was nun folgte, war Blake jedoch völlig unvorbereitet. Plötzlich war er sich einer nicht greifbaren Anwesenheit bewußt, einer Persönlichkeit ohne Körper oder Substanz. So, als ob der andere Lauscher eine Emmanation seiner selbst über die Schranke projizierte, die er körperlich nicht bezwingen konnte.
    In der völligen Stille rief dieses Eindringen Panik hervor.
    Blake wich von der Tür zurück. Sein Innerstes wehrte sich gegen einen möglichen Kontakt mit diesem – diesem Ding. Aber eine Sekunde später nahm er wieder seinen Posten ein. Er war davon überzeugt, daß er es merken würde, wenn der andere physisch ins Büro eindringen würde.
    Eine Weile blieb das unheimliche Gefühl einer fremden Gegenwart. Doch Blake war sicher, daß der andere seinerseits nicht wußte, daß er in diesem Raum war. Langsam gewöhnte er sich an diesen Zustand. Er war sogar imstande, sich sekundenlang zu entspannen, als es ihn neuerlich wie ein Blitz überfiel.
    Blake griff sich an den Kopf. Der Kontakt war wie ein Schlag auf ihn herabgesaust, ein Schlag, der zusammenhängende Gedanken verwirrte. Mit der anderen Hand hing er an der Klinke, beseelt von dem seltsamen Gefühl, daß dieser einzige normale und gewöhnliche Gegenstand zwischen seinen Fingern ihn vor diesem heimtückischen Angriff schützen würde.
    Denn nachdem die Berührung hergestellt war, ging das Ding – Kraft, Persönlichkeit, wie immer man es nennen mochte – vehement zum Angriff über. Es war wie eine Sonde, die sich zwischen Blakes Augen bohrte und sich einen Weg in sein Gehirn zu bahnen versuchte.
    Mit verzweifeltem Griff klammerte er sich an die Klinke. Graue Flecken des Schmerzes verschleierten den Raum, sein Körper wurde von langanhaltenden Schauern geschüttelt. Keine physische Marter konnte sich damit messen, dachte er. Er bestand eben eine Prüfung, die in dieser Zeit und in dieser Welt ebenso fehl am Platz war, wie es der personifizierte Teufel des Mittelalters gewesen wäre.
    Der quälende Druck ließ nach, doch Blake wagte nicht zu glauben, daß er endgültig gewichen war. Und seine Zweifel waren gerechtfertigt. Der andere hatte den Kampf nicht aufgegeben. Der Angriff kam ein zweites Mal, drängend, bohrend, auf der Suche nach einem leichten Sieg.

3

    Blake leistete tapfer Widerstand, während sich der Boden unter seinen Füßen in ekelhaften Wellenbewegungen hob und senkte. Das Maß für die Zeit ging ihm verloren. Das einzige, woran sich Sinne und Verstand noch klammern konnten, war die schweißnasse Klinke.
    Unbewußt wunderte er sich, daß seine Ohren noch immer ein Geräusch wahrnehmen konnten. Und damit war der bösartige Angriff plötzlich zu Ende: Das Summen der Warnanlage im Büro ertönte. Der Feind trat sofort den Rückzug an. Dann vernahm Blake das Geräusch des Aufzugs.
    Kehrte Erskine oder Saxton zurück? Wenn ja, würden sie der draußen lauernden Gefahr ungewarnt begegnen? Er konnte nichts tun und nichts verhindern.
    Der Aufzug kam ruckartig zum Stehen und begann dann wieder hinabzufahren. Und der Lift nahm die Gegenwart mit sich, die den Raum heimgesucht hatte. Das Quietschen wurde leiser, es folgte völlige Stille. Es war weg!
    Blake lag auf den Knien und stützte die Stirn an die Tür. Sein Magen revoltierte. Er fing an zu kriechen. Mit Hilfe des nächsten Stuhles kam er auf die Beine, taumelte weiter und erreichte gerade noch rechtzeitig das Bad. Das Schlimmste an dieser Attacke war, daß er sich über und über besudelt fühlte.
    Als er sich wieder auf den Beinen halten konnte, zog er sich aus und ging unter die Dusche. Erst nachdem das Wasser seinen Körper abwechselnd heiß und kalt umspült hatte, fühlte er sich wieder sauber. Das Anziehen stellte eine echte Aufgabe dar. Blake war so müde wie ein Patient, der sich nach langer und schwerer Krankheit zum erstenmal bewegt.
    Er schwankte in den Wohnraum und brach auf der Couch zusammen. Bis jetzt hatte er sich auf das Spürbare konzentriert – auf die starke Übelkeit, auf das Baden und Anziehen. Sein Verstand weigerte sich, über diese unmittelbaren Vorgänge hinaus in Bewegung gesetzt zu werden. Während er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher