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Kopernikus 3

Kopernikus 3

Titel: Kopernikus 3
Autoren: H. J. Alpers
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England. Die Sinne des neuen „Körpers“ wichen erheblich von denen des alten ab, und die Anpassung brauchte Zeit. Als ich dann übte, verbesserte sich meine Wahrnehmung. Ich sah das Magnetfeld als einen verschwommenen, schimmernden, regenbogenartigen Nebel über dem Land schweben; in der Nähe des Bodens war er von einem tiefen, dunklen Rot, das sich bis zum Himmel ins Schwarzviolette verschob. Der Horizont war von flackernden grünen, blauen und roten Bändern bedeckt, Nordlichtern ähnlich, aber intensiver und leuchtender. Ich stieg nach oben und versuchte meine neue Umgebung zu interpretieren.
    Ich sah andere Gestalten, Nachlebende wie ich selbst, die gerade Gestorbenen, die hier und da aufstiegen. In ihrer Formlosigkeit ähnelten sie Amöben. Ich studierte mich selbst. Magnetische Kraftlinien vermittelten den irrigen Eindruck von Nervensträngen; die unterschiedlich geladenen Teile meines Körpers leuchteten in einer Vielzahl durchscheinender Farben. Es waren wundervolle und aufregende neue Eindrücke.
    Ich trat in die Ionosphäre ein, und hier, in der turbulenten, elektrisch geladenen Region der Atmosphäre, wurde meine Umgebung deutlicher. Ladungstragende Schichten zeigten eine feste Oberfläche, wenn man sie berührte. Gänge und Hallen verschoben sich in- und umeinander, öffneten sich vor mir und waren im nächsten Augenblick wieder verschwunden. Die Farben verwirrten sich. Als ich an Höhe gewann, stabilisierte sich meine Umgebung in gewissem Umfang. Ich hemmte meine Aufwärtsbewegung durch meinen Treiber.
    Ich versuchte die Ereignisse, die sich bisher abgespielt hatten, objektiv zu rekapitulieren. Die Umwandlung aus der menschlichen Seinsweise in die elektromagnetische war genauso schmerzhaft und natürlich wie geboren zu werden; mein Bewußtsein hatte den Zustand akzeptiert und schien sich in seinen Funktionen nicht verändert zu haben.
    Ich griff nach dem Kommunikator; meinem Gefühl nach war es Zeit für die Rückmeldung. Ich konnte mir nicht helfen, aber ich hatte gemischte Gefühle in bezug auf die Beendigung meines normalen Lebens. Unvermeidbar tauchte die Vermutung auf, daß das Leben nach dem Tode nicht so wirklich, nicht so bedeutend war; daß es Dinge in meinem bisherigen Leben gab, die ich unerledigt zurückgelassen hatte, Gelegenheiten, die nicht genutzt worden waren …
    Ich sah nach unten auf die Erdoberfläche. Der Tod ist schon immer als leichter Ausweg angesehen worden, und nun konnte ich gewissermaßen selbst feststellen, wie leicht er wirklich war. Nichts mehr mit Kriegspolitik und Kriegsmanövern zu tun zu haben, war ganz unbestreitbar angenehm. Aber es stimmte trotzdem, daß ich meinen Ex-Landsleuten noch irgendwie verpflichtet war. Ich erinnerte mich an Jones’ Bemerkung über die Millionen unschuldiger Leute, die von mir abhängig waren. Überdramatisiert, aber in gewisser Weise wahr.
    Ich untersuchte den Kommunikator und begriff die Grundlagen ohne Schwierigkeiten, mehr instinktiv allerdings als durch logische Ableitung. Buchstabe für Buchstabe morste ich eine Nachricht des Inhalts, daß ich weiter wie geplant vorgehen würde.
    Ich benutzte den Treiber, um meine Höhe zu vermindern, und seine Kraft trug mich bald über den Kanal. Ich hatte ausreichend Zeit, um mich an meine Umgebung anzupassen und in Ruhe einige Dinge zu überdenken. Ich empfand mich nicht als völlig vom Menschsein losgelöst, vielleicht weil ich immer noch in großem Maß wie ein menschliches Wesen dachte und handelte. Wahrnehmung und Zeitgefühl hatten sich in gewissem Maß verändert, aber Bewußtsein und logisches Denken waren dasselbe geblieben.
    Ich steuerte ostwärts, an der Küste Frankreichs entlang, die einige Kilometer unter mir lag. Es war mir nicht möglich, mich als von Land und Leuten unter mir getrennt oder entfremdet zu sehen. Ich konnte mir die Menschen immer noch genau vorstellen und sah mich immer noch als einen von ihnen. Und ich konnte immer noch der unbestreitbaren inneren Logik von Strategie, Politik, Schlag und Gegenschlag folgen, die unabwendbar zum gegenwärtigen Konflikt geführt hatte und in Richtung auf eine offizielle Kriegserklärung eskalierte. Ich war immer noch ich selbst – dieselbe Person, die eine zweijährige Militärausbildung durchgemacht hatte, dieselbe Person, die über die wahre Natur des Patriotismus ebenso belehrt worden war, wie über die Ideologien der diversen Aggressoren, die die freie Welt bedrohten.
    Einige Stunden später bediente ich erneut den
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