Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Komm mit mir, liebes Hausgespenst

Komm mit mir, liebes Hausgespenst

Titel: Komm mit mir, liebes Hausgespenst
Autoren: Marie Louise Fischer
Vom Netzwerk:
Freundin ungläubig an. „Woher willst du das wissen?“
    „Weil er uns das erzählt hat. Über den Lautsprecher. Ständig kommen Durchsagen. Wenn du nicht so fest geschlafen hättest, hättest du es auch gehört.“
    Norbert saß gegen das kleine Fenster vorgebeugt. „Seht nur mal, wie riesig dieses Kanada ist... und wie leer. Wälder, Wälder und nochmals Wälder. Und das da hinten ist der Ontario-See
    „Woher weißt du das?“ Monika vergewisserte sich, daß der Korb mit Amadeus sicher zwischen ihren Füßen stand und quetschte sich dann neben Ingrid zum Fenster.
    „Weil der Pilot es gesagt hat... kurz bevor du aufgewacht bist!“
    Der Anblick, der sich Monika und ihren Freunden bot, war tatsächlich höchst eindrucksvoll. In Europa hatte das Land unter ihnen wie ein Fleckerlteppich dagelegen: Dörfer, Felder, Seen und Teiche, Haine und Straßen, alles winzig, bunt und wie hingezirkelt. In Kanada aber dehnten sich unendliche Wälder, so weit das Auge sah. Die Wasserfläche des Ontario-Sees schimmerte silbern. Erinnerung an Zivilisation rief nur eine einzige, schnurgerade Straße hervor, aber kein Auto war auf ihr zu sehen.
    „Gewaltig“, sagte Norbert voller Respekt, „da möchte ich auch mal hin!“
    „Wozu?“ fragte Ingrid.
    „Bären jagen.“
    Ingrid lachte. „Übernimm dich nur nicht!“
    Wieder wurde eine kleine Mahlzeit serviert, diesmal Schinken, Käse, saure Gürkchen, eingelegte Pfifferlinge, Butter, Brot und ein Stück Rosinenkuchen.
    Monika langte voller Heißhunger zu, während Norbert und Ingrid an den guten Sachen nur noch knabberten.
    „Warum die uns dauernd was zu essen geben müssen?“ fragte Ingrid.
    „Damit uns der Flug nicht zu lang wird“, meinte Norbert.
    „Damit wir gar nicht auf die Idee kommen, daß uns schlecht werden könnte!“ behauptete Monika. Als sie sich satt gegessen hatte, dehnte und reckte sie sich. „So, jetzt geht’s mir besser.“ Ingrid wischte sich den Mund mit der Papierserviette ab. „Während du schliefst, habe ich nachgedacht...“, begann sie.
    „Ach, tatsächlich?“ fragte Monika in einem Ton gespielten Unglaubens.
    „Tu bloß nicht so! Ich habe mir die berechtigte Frage gestellt: Warum ist Amadeus in sein Gefängnis zurückgekehrt?“
    „Gefängnis? Von was für einem Gefängnis sprichst du?“
    „Du weißt genau, was ich meine: den Korb. Natürlich hat er keine Eisenstäbe oder so etwas, aber da wir ihn mit frommen Sprüchen verkleistert haben, ist er für Amadeus doch praktisch zu einem Gefängnis geworden, aus dem er sich nicht aus eigener Kraft befreien kann.“
    „Stimmt“, sagte Norbert vom Fenster her.
    „Es ergibt sich also die Frage...“, wollte Ingrid von neuem beginnen.
    Monika winkte ab. „Schon kapiert.“ Sie legte den Finger an die Nase. „Versetzt euch in die Lage eines Gespenstes, das noch nie über die Grenzen eines sehr kleinen ländlichen Gebietes herausgekommen ist. Plötzlich findet er sich auf dem Flughafen wieder. Das ist für ihn eine ganz neue Welt. Jetzt ist er frei. Er könnte hin, wohin er wollte. Ihr hattet angenommen, er würde in München bleiben. Aber was kann ihm München bedeuten? Kann er sich überhaupt etwas unter dieser schönen Stadt mit ihren eleganten Geschäften, ihren schönen alten Häusern, den Theatern, Kinos, Parks, der Fußgängerzone und dem Deutschen Museum vorstellen? Natürlich nicht. Deshalb ist er gar nicht auf die Idee gekommen, sich dahin abzusetzen, sondern er ist uns schön und brav auf den Fersen geblieben. Im Flugzeug hat er dann ein paar von seinen alten Späßen getrieben, und dann... ja, wahrscheinlich hat er es dann selber ein wenig mit der Angst zu tun bekommen.“
    „Wieso?“ fragte Norbert.
    „Weil er noch nie so eingesperrt war... Bestimmt hat er sich nicht aus dem Flugzeug herausgetraut. Oder auch, weil er noch nie so hoch in der Luft gewesen ist... Ein Blick aus dem Fenster mußte ihm das zeigen.“

    „Du meinst, daß er im Korb sozusagen Sicherheit gesucht hat?“ fragte Ingrid.
    „Ja, das nehme ich an. Man weiß ja so wenig über Gespenster. Nur daß es Kobolde sind, die die Gestalt eines jäh verstorbenen Menschen annehmen können und damit auch sein Wissen und seine Erinnerungen... So erklärt es doch dein Vater, Norbert, nicht wahr?“ Monika wollte sich an Herrn Stein wenden, mußte aber feststellen, daß er inzwischen eingeschlafen war und leise vor sich hin schnarchte.
    Norbert hatte zustimmend genickt.
    „Der echte Amadeus“, sagte Monika, „der im
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher