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Kolumbus kam als Letzter

Kolumbus kam als Letzter

Titel: Kolumbus kam als Letzter
Autoren: Hans-Joachim Zillmer
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Grund-
    stückbesitzers. Wir, meine Frau und ich, wurden telefonisch an-
    gekündigt und von Jim Laucis und seiner Frau herzlich empfangen.
    Den root cellar gibt es tatsächlich. Er liegt auf Privatgelände einsam mitten im Wald in der Nähe eines Sees.
    Man musste durch einen Gang aus Trockenmauerwerk kriechen
    und stand dann in einer runden, igluförmigen Steinkammer, als so
    genannte Bienenkorbkuppel mit falschem Gewölbe (Kraggewölbe)
    errichtet. Sofort erinnerte mich dieses Bauwerk an einen Tholos.
    Diese in runder Form konstruierten antiken griechischen Kultbau-
    ten wurden vor der Zeitenwende u.a. über Gräbern errichtet. An-
    dererseits handelt es sich um typische Elemente einer irischen
    Mönchssiedlung des frühen Mittelalters, insbesondere die aus Tro-
    ckenmauerwerk errichteten Gebetszellen in Bienenkorbform mit
    falschem Gewölbe.
    Die Kleinstadt Upton ist seit 1735 bewohnt, und erste historische
    Aufzeichnungen erwähnen bereits diesen steinernen Bienenkorb.
    Mein Gastgeber bestätigte, dass seine Familie ununterbrochen fast
    zweihundert Jahre im Besitz des Grundstücks ist und das unter-
    irdische Bauwerk schon immer vorhanden war. Es gibt auch keine
    Hinweise auf den Erbauer. Offiziell nehmen die Archäologen von
    diesen interessanten Bauwerken keine Notiz. Sie werden auch nicht
    kartographiert, denn es soll sich um Vorratskeller handeln, die von
    europäischen Kolonisten ab dem 18. Jh. errichtet wurden. Wieso
    errichtet man ein solches Bauwerk so abseits in bewaldetem
    Gelände und dazu noch in einer Talmulde, gräbt erst ein Loch, er-
    richtet das Bauwerk aus Trockenmauerwerk, nur um dieses dann
    wieder mit Erdreich zu überschütten?
    Ich sah mich um und mir fiel der Steinwall zwischen den Grund-
    stücken auf, der quer durch den Wald bis zum root cellar verläuft 36

    und in dem riesige megalithisch anmutende Steinquader verbaut
    sind – eine richtige Zyklopenmauer. Auch mit schwerem Maschi-
    neneinsatz hätte man Probleme gehabt, diese Steinblöcke in den
    dichten Wald zu transportieren und auf halber Höhe des Hügels
    aufzustellen. Besucher, die über die Landstraßen der Neuengland-
    staaten fahren, haben sicher die scheinbar als Grundstücksgrenzen
    dienenden Steinwälle gesehen, die meist aus handlichen, aber auch
    sehr großen Steinquadern bestehen.
    Ich hatte mir nie Gedanken darüber gemacht, obwohl die Ameri-
    kaner ja eigentlich sehr selten ihr Grundstück einzäunen. Ich fragte jetzt Jim, ob er den Steinwall errichtet hätte. Die Antwort erstaunte mich, denn dieser Wall war schon immer da und keiner weiß, wer
    ihn errichtet hat. Waren in Neuengland existierende Steinwälle in
    großer Zahl schon lange vor der Ankunft von Kolumbus vorhan-
    den? Zählt man diese Steine anzahlmäßig zusammen, kommen Un-
    mengen heraus. Mein erster Gedanke: Hier hat jemand irgendwann
    die wie ausgesät in der Landschaft herumliegenden Steinbrocken
    gesammelt und Hunderte, ja wahrscheinlich Tausende von Kilome-
    tern Steinwälle gebaut. In alten Dokumenten der Kolonisten wird
    von einer solchen Arbeit nur selten berichtet. Auch in der Anlage
    America's Stonehenge gibt es eine Unmenge dieser Steinwälle, die einzelne root cellars zu verbinden scheinen.
    Ich erinnerte mich, dass auch in Deutschland, aber auch in England
    und insbesondere in Schottland von mir bisher unbeachtet geblie-
    bene Steinwälle existieren, die oft entlang von Wegen angeordnet
    sind. Sie stammen zum Teil aus keltischer Zeit. Bei uns in Mittel-
    europa gibt es auch noch kaum beachtete Steinwälle in abgelegenen
    Waldgebieten, wo nichts abzugrenzen ist. Meine Literaturrecherche
    ergab, dass dieses Phänomen durchaus bekannt war. Manche Stein-
    wälle werden auch als »Umhegung einer germanischen Wallstätte«
    angesehen, und es werden Parallelen des kultischen Charakters zu
    den Steinalleen Südenglands und der Bretagne gesehen (Theudt,
    1931, S. 162 ff.).
    Das einem Tholos ähnelnde Bauwerk in Upton ist nicht das einzige
    Bauwerk dieser Art. In Vermont führte mich John Dunlap zu meh-
    reren Steinkellern mit rechteckigem Grundriss, bei denen auffiel,

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    Abb. 12: Gebetszellen. In Upton (Massachusetts) liegt der größte in Bienenkorbform (Kraggewölbe) errichtete tholosartige Steinkeller Nordamerikas, der an die aus Trockenmauerwerk errichteten irischen Mönchszellen in Irland – rechts: Skellig Michael (Kerry) – erinnert.

    dass sie durch große schwere Steinplatten überdeckt waren, die
    durch reine Muskelkraft ohne
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