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Koenigsmoerder

Koenigsmoerder

Titel: Koenigsmoerder
Autoren: Karen Miller
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und ein wenig Glück vonnöten.«
    »Sie liegen an einer schwer zugänglichen Stelle?«
    »Auf einem Felsvorsprung, der über das Tal hinausragt. Sagt Ihr mir, ob das eine schwer zugängliche Stelle ist oder nicht.« Erfasst von einer plötzlichen, Schwindel erregenden Woge der Erschöpfung, spürte Asher, wie alles Blut aus seinem Gesicht wich, und er taumelte. »Verdammt«, murmelte er.
    »Ganz ruhig«, sagte Pellen Orrick und griff abermals nach seinem Arm. »Ihr habt einen üblen Schock erlitten.«
    Die Freundlichkeit des Hauptmanns gab ihm beinahe den Rest. Trauer und Zorn und ein Gefühl heißer Hilflosigkeit trübten seine Sicht. Er konnte das brutale Hämmern seines Herzens spüren, kräftige Schläge gegen die Rippen wie das Dröhnen der Trommel bei einer Beerdigung. Die kalte Nachtluft brannte ihm in den gequälten Lungen, und die Zähne begannen ihm in der leichten Brise zu klappern. Er spürte Feuchtigkeit auf den Wangen und blickte auf. Regnete es?
    Nein. Der sternenübersäte Himmel war frei von Wolken. Außerdem, wie hätte es regnen können? Lurs Wettermacher war tot. Wütend blinzelte er gegen die brennenden Tränen an. Tränen? Narr. Tränen waren etwas für Leute, die Zeit hatten...
    Dort, wo die doranischen Würdenträger standen, erscholl ein lauter Ruf. Lord Hafar hatte Asher entdeckt. Er streckte die Hand aus und zupfte Conroyd Jarralt am Brokatärmel. Jarralt drehte sich stirnrunzelnd um, den Mund zu einer barschen Erwiderung geöffnet. Dann sah auch er ihn. Jarralt reckte das Kinn vor und drückte die Schultern durch. Erfüllt von einem Gefühl wütender Überheblichkeit, löste er sich aus der Gruppe. Jetzt sah Asher, wer in dessen Mitte saß.
    Gar!
    Nachdem er sich aus den Fängen seiner tiefen Ohnmacht befreit hatte, saß der Prinz ‐ nein. Nicht mehr. Nicht nach dem heutigen Tag. Der König saß auf einem gepolsterten Hocker am Straßenrand, eingehüllt in eine Decke und mit einem Verband, den ihm jemand hastig um den Kopf gelegt hatte. Sein linker Arm war an seinen zerschundenen Körper gebunden worden, um das gebrochene Schlüsselbein zu schützen. In der rechten Hand hielt er einen Becher mit irgendeiner dampfenden Flüssigkeit und starrte hinein, als enthielte er alle Geheimnisse der Welt.
    Conroyd Jarralt machte noch einen schnellen Schritt vorwärts, die juwelenbesetzten Finger zu Fäusten geballt. »Asher!«
    Sein Name klang wie eine Kapellenglocke, die Schweigen gebot. Das Gemurmel der Lords verebbte, wurde immer leiser mit jedem
    Schritt, mit dem Asher die Entfernung zwischen sich und seinem Freund überwand. Seinem König.
    Gar blickte auf, zog eine bleiche Augenbraue hoch und bemerkte ihn. Und Asher begriff, dass etwas so Grobes wie Worte nicht vonnöten war. Die Wahrheit war in seinen Tränen, die auf seinem schmutzigen Gesicht noch nicht ganz getrocknet waren, auf seinen unsicheren Lippen und in der verräterischen Blässe seiner Wangen, die sich eiskalt anfühlten.
    Er erreichte die Traube doranischer Lords. Erreichte Gar, der ruhig und fragend in sein starres Gesicht blickte. In seinen Zügen stand ein Ausdruck höflicher Geduld. Ein Ausdruck, der keine mächtigere Regung verriet als eine milde Neugier.
    Asher blieb stehen und ließ sich auf die Knie fallen. Als seine Knochen den harten Boden berührten, durchzuckte ihn ein Schmerz, den er kaum wahrnahm.
    Die Hände schlaff neben sich, die Schultern mutlos vorgezogen und schmutzig von Erde und Schweiß und kleinen Spritzern vom Blut anderer Menschen, senkte er den Kopf. »Eure Majestät.«
    Einer der Lords, die sie beobachteten, ächzte. Ein Aufschrei wurde laut und gleich darauf erstickt. Ein unterdrücktes Schluchzen.
    Jemand kicherte.
    Asher riss ungläubig den Kopf hoch.
    Gar lachte. Sein Gesicht war ohne Heiterkeit, aber er lachte dennoch. Die Decke um seine Schultern rutschte zu Boden. Der kaum angerührte Inhalt des Bechers schwappte über und hinterließ dunkle Flecken auf der ohnehin ruinierten Reithose. Seine Nase begann zu laufen, und Glimmfeuer spiegelte sich auf den Tränen und dem Schleim auf seinem Gesicht, das glitzerte, als sei es von flüssigen Diamanten überzogen. Und er lachte noch immer.
    Jarralt trat auf ihn zu. »Hört auf damit!«, zischte er. »Ihr bringt Schande über Euch selbst, Herr, und Schande über unser Volk! Hört sofort auf, habt Ihr mich verstanden?«
    Er hätte sich seine Worte sparen können. Gar ignorierte ihn und lachte weiter. Er hörte erst auf, als Barlsmann Holze näher trat, um
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