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Königsfreunde (German Edition)

Königsfreunde (German Edition)

Titel: Königsfreunde (German Edition)
Autoren: Isabell Schmitt-Egner
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ihn sich umsehen. Der König war auf die Erde gesunken. Marquard nahm den Wasserschlauch und ging neben dem Jungen in die Knie. Er hob seinen Kopf an und hielt ihm den Wasserschlauch an die Lippen.
    »Ihr müsst jetzt trinken. Ihr verdurstet«, sagte Marquard. Der Junge hielt die Lippen geschlossen und fand sogar die Kraft, den Kopf wegzudrehen. Er wollte sich nicht gebrochen zeigen, auch wenn er vor Erschöpfung fast ohnmächtig wurde.
    »Schon gut«, sagte Marquard sanft. »Ihr habt Euch nicht gebeugt, wie ein richtiger König es getan hätte. Ich gebe zu, dass ich nicht gedacht hätte, dass Ihr so lange durchhaltet.«
    Braune Augen blickten zu ihm auf. Marquard ließ etwas Wasser über die trockenen Lippen fließen und dann schluckte der Junge endlich. Mit gefesselten Händen riss er Marquard den Wasserschlauch aus der Hand und trank gierig.
    »Nicht so schnell«, sagte Marquard. »Kommt, ich helfe Euch zum Bach hinunter. Sicher wollt Ihr Euch waschen.«
    Er zog den Jungen auf die Füße, dann löste er seine Fesseln. Staub bedeckte die geschundene Haut an den Handgelenken. Erstaunt schaute sein Gefangener zu Marquard auf.
    »Ihr nehmt mir die Fesseln ab?«
    »Das solltet Ihr gründlich abspülen«, sagte Marquard, ohne darauf einzugehen.  
    »Lasst mich. Ich brauche Eure Hilfe nicht«, kam die abweisende Antwort. Der junge König schleppte sich mühsam zu dem dahinplätschernden Bächlein und sank am Ufer nieder. Er streifte die Stiefel ab und ließ seine wunden Füße in das kalte Wasser gleiten.
    Marquard behielt ihn im Auge, während er das Pferd ausspannte. Er musste ihn gleich wieder fesseln, bevor er sich erholt hatte, sonst würde er davonlaufen. Ohne Schuhe und im erschöpften Zustand kam er nur ein paar Schritte weit, bevor Marquard ihn wieder einholen konnte. Aber er musste die Fesseln ab und zu neu anlegen, sonst konnten sich seine Hände entzünden oder das Blut staute sich. Er sah, wie der Junge sich mit langsamen, fast resignierten Bewegungen den Staub abwusch. Er schöpfte mit den Händen kühles Wasser und trank. Dann sank er nach hinten ins Gras. Die Füße ließ er im Bach hängen. Marquard band das Pferd an einem Baum an und es senkte sofort den Kopf, um zu trinken. Dann begann es, das frische Grün am Ufer abzurupfen. Marquard näherte sich dem reglos daliegenden Jungen langsam und dann legte er schnell einen Lederriemen um sein Handgelenk.
    »Ihr verzeiht, aber es geht nicht anders«, sagte Marquard, als er den Riemen festzog. Er hatte mit Gegenwehr gerechnet, aber nichts dergleichen geschah.
    »Ihr werdet dafür eines Tages hängen. Das schwöre ich«, sagte der Junge ruhig. Er öffnete nicht die Augen, während er sprach, und obwohl sich Marquard sicher war, dass dieser Junge nie wieder etwas gegen ihn ausrichten konnte, beschlich ihn ein leises Unbehagen. Keine Frage, er hatte einen König entführt, der eines Tages sein Reich fest im Griff gehabt hätte. Zwar redeten die Intriganten Marquard etwas anderes ein, dass der Junge sein würde wie seine Eltern, dass er das Reich verkommen lassen würde. Aber Marquard spürte etwas anderes. Der König war nur zu jung an die Macht gekommen, zu einem falschen Zeitpunkt und hatte die falschen Leute um sich gehabt. Und er selbst – Marquard – war einer dieser falschen Leute. Er fesselte seinen Gefangenen diesmal zwischen der Kutsche und einem Baum, in derselben Manier wie in der Nacht zuvor. Der junge König ertrug auch diese Demütigung schweigend und mit so viel Würde, wie es unter diesen Umständen noch möglich war. Marquard konnte ein Gefühl der Bewunderung nicht unterdrücken.
    »Ich werde Euch etwas zum Essen bringen«, sagte Marquard.
    »Ich werde nichts essen«, antwortete der Junge.
    »Aber Ihr müsst hungrig sein.«
    »Ich nehme kein Essen an von einem Verräter.«
    »Wie Ihr wollt.«
    Marquard ging, um kleine Äste für das Feuer aufzuschichten. Sein Gefangener lag auf den Decken, die er für ihn ausgebreitet hatte, und als Marquard das nächste Mal nach ihm sah, schien er fest zu schlafen. Der lange Marsch hatte ihn ermüdet. Marquard aß ein leichtes Abendessen und legte sich dann ebenfalls zu Ruhe. Er musste die Schlafphase des Jungen unbedingt ausnutzen, um selbst neue Kraft zu schöpfen.
     
    Als Marquard erwachte, schlief der junge König immer noch. Er schien seine Position kaum verändert zu haben und für einen Moment machte sich Marquard wieder Sorgen, aber dann sah er, dass der Junge atmete. Im Schlaf sah er noch jünger
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