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Kjell. Das Geheimnis der schwarzen Seerosen

Kjell. Das Geheimnis der schwarzen Seerosen

Titel: Kjell. Das Geheimnis der schwarzen Seerosen
Autoren: Evelyn Boyd
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sie mit in den See genommen. Immerhin war noch Vollmond.«
    Britta Janson hatte recht. Es gab in dieser Gegend tödliche Raubtiere. Mir kamen fast wieder die Tränen bei dem Gedanken an Lilja und an all die unschuldigen Mädchen, die geglaubt hatten, ihre große Liebe gefunden zu haben. Doch gefunden hatten sie nur den Tod.
    Dann fiel mir noch etwas ein. »Du sagtest doch, ihr holt euch die Seelen der jungen Frauen. Warum dann meinen Bruder Ben?« Ich hatte nicht mehr den geringsten Zweifel daran, dass die Wassergeister auch für seinen Tod verantwortlich waren.
    Kjell sah mich jetzt traurig an. Dann seufzte er. Schweigend und erwartungsvoll blickte ich in sein Gesicht.
    »Wie gesagt, brauchen wir die liebenden Seelen, die uns die Frauen freiwillig schenken, um zu existieren. Aber wenn jemand uns zu nahekommt, dann muss er ebenfalls sterben. Wir Wassergeister sind sehr alt. Viel älter als du es dir vielleicht vorstellen kannst. Einige von uns sind wirklich böse, ihre Seelen sind mittlerweile so kalt, dass eine Mädchenseele sie nur kurz erwärmt. Für sie ist es lediglich ein Verführungsspiel mit dem Opfer. Aber sie töten auch zum Spaß und erst recht, wenn sie sich bedroht fühlen.«
    »Aber Ben war doch noch ein Kind. Wie konnte er euch bedrohen?«
    »Ihr seid in unser Reich eingedrungen. Ihr kamt uns zu nah«, versuchte Kjell es mir zu erklären.
    »Euer Reich – der schwarze See!« Ich schüttelte mich bei der Erkenntnis.
    Der Geruch von Moder und Tod. Ich glaubte ihn noch immer zu riechen, wenn ich an diesen dunklen Waldsee dachte.
    »Ganz richtig. Die großen Alten lassen nicht zu, dass Menschen uns so nah kommen. Kinder sind viel sensibler und aufmerksamer, nur so konntet ihr den versteckten See finden. Du zum Beispiel hast unsere Existenz damals schon gespürt, nicht wahr Sofie?«
    Ich konnte mich lebhaft an das Gefühl von damals erinnern. Die Bedrohung in der Luft war greifbar gewesen. Doch Ben hatte sie nicht gespürt.
    »Musste Ben sterben, weil er in dem See getaucht ist? Hättet ihr uns sonst ziehen lassen?«, fragte ich mit der Naivität einer Neunjährigen.
    Kjell schüttelte den Kopf. »Eigentlich wollten sie dich auch holen. Aber ich habe deine Augen gesehen, als meine Familie deinen Bruder unter Wasser gezogen hat. In deinen Blick lag etwas Besonders. Ich kann es nicht erklären, aber ich wollte dich schon damals unbedingt retten. Ich habe meiner Familie gesagt, dass dir eh niemand glauben würde, wenn wir dich gehen ließen. Die anderen Menschen können den geheimen See nämlich nicht finden. Es dauerte eine Zeitlang bis ich sie überzeugt hatte, aber dann zog ich dein Boot wieder auf den Sandsjön hinaus.«
    »Du warst damals dabei? Du hast mich gerettet?« Meine Stimme war leise.
    »Ja«, sagte er nur.
    Jetzt stand es mir wieder vor den Augen. Die Träume, die Erinnerungen an die Hände, die Ben hinabgezogen hatten, waren nicht Ausdruck eines schlechten Gewissens, weil ich meinen Bruder nicht hatte retten können. Sie waren real gewesen.
    »Warum hast du nicht auch Ben gerettet? Warum hast du meinen Bruder nicht gerettet?« Ich fühlte mich wieder wie ein kleines hilfloses Mädchen.
    »Ich hatte keine Chance gegen meine Familie. Ich konnte nicht gegen sie kämpfen! Kein Wassergeist darf gegen seine eigene Familie kämpfen. Aber dich konnte ich wenigstens retten. Ich hätte nie gedacht, dass du nach Schweden zurückkommen würdest.«
    »Hast du mich denn erkannt, als ich wieder hier war?«, wollte ich wissen.
    »Bei unserem ersten Zusammentreffen war ich mir nicht sicher. Du warst nur irgendein Mädchen für mich, aber kurze Zeit später wurde es mir klar: Ich habe deine Seele gespürt.«
    »Und trotzdem wolltest du mich in der Vollmondnacht töten!«, stellte ich fest.
    »Meine Familie hat deine Präsenz bei unserem versteckten See gefühlt. Sie verlangten deinen Tod, weil du zurückgekehrt bist und uns wieder zu nahe kamst. Ich konnte sie davon überzeugen, dass es eine Verschwendung wäre, dich einfach zu töten, und, dass es sinnvoller wäre, wenn ich deine Seele holte. Zumal ich schon mit dir Kontakt geknüpft hatte und wieder eine Seele brauchte. Außerdem wollte ich unbedingt wissen, wie du schmeckst.«
    Ich starrte ihn fassungslos an und konnte mir nicht erklären, warum ich nach all diesen ungeheuerlichen Bekenntnissen in meinem Inneren immer noch so starke Gefühle für Kjell hatte. Ich befand mich auf einer emotionalen Achterbahnfahrt und war mir nicht sicher, wo diese Fahrt enden
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