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Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht

Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht

Titel: Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht
Autoren: Sue Grafton
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geisterhafte Anwesenheit vom Dreck vergangener Zeiten. Ich nahm den gleichen Chlorgeruch wie damals wahr, vermischt mit dem Shampoo eines Fremden. Ich untersuchte die Kaffeemaschine, doch am Stecker schien ein Stift zu fehlen. Außerdem gab es keine Gratispäckchen mit Kaffeepulver, Zucker oder milchfreiem Kaffeeweißer. Das war also der angepriesene Komfort. Ich war dankbar für die Seife. Ich kehrte in den Hauptraum zurück und sah mich kurz um. Unter dem Seitenfenster stand eine Sitzgruppe mit einem Holztisch und zwei Stühlen, so angeordnet, dass man auf den Wald hinaussah. Ich nahm die Schreibmaschine und stellte sie auf die Tischplatte. Ich würde mir in der Stadt einen Packen Papier besorgen und einen Copy-Shop ausfindig machen müssen. Heutzutage benutzen die meisten Privatdetektive Computer, aber ich kann mich irgendwie nicht mit ihnen anfreunden. Für meine zuverlässige Smith-Corona brauche ich keinen Stromanschluß, und ich muß mir weder Sorgen über einen Totalabsturz noch über gelöschte Daten machen. Ich zog mir einen Stuhl an den Tisch heran und starrte zum Fenster hinaus in den dürren Baumbestand. Selbst die Nadelbäume sahen schäbig aus. Durch ein Spitzenmuster aus Kiefernnadeln konnte ich ein Stück Zaun sehen, das Cecilias Grundstück von dem dahin-terliegenden trennte. Dieser Ortsteil schien aus Ackerland und unerschlossenen Grundstücken zu bestehen, die vielleicht irgendwann einmal bewirtschaftet worden waren. Ich zog einen zerfledderten Schreibblock heraus und machte mir ein paar Notizen.
    Genaugenommen hatte Selma Newquist mich engagiert, damit ich die letzten vier bis sechs Wochen im Leben ihres verstorbenen Mannes rekonstruierte, ausgehend von der Theorie, dass das, was ihn belastet hatte, vermutlich innerhalb dieser Zeitspanne aufgetreten war. Ich halte normalerweise nichts davon, wenn Eheleute einander nachspionieren - insbesondere wenn einer der beiden tot ist -, aber sie schien überzeugt davon zu sein, dass die Antworten für sie aufschlußreich wären. Ich hatte da meine Zweifel. Vielleicht hatte Tom Newquist einfach Finanzprobleme, oder er grübelte darüber nach, wie er im Ruhestand seine Zeit ausfüllen konnte.
    Ich hatte mich bereit erklärt, ihr alle zwei bis drei Tage mündlich Bericht zu erstatten, ergänzt durch eine schriftliche Zusammenfassung. Selma hatte zuerst abgelehnt und mir versichert, dass mündliche Berichte vollkommen ausreichten, doch ich hatte ihr gesagt, dass ich die Schriftform bevorzugte, unter anderem um die gewonnenen Erkenntnisse genauer auszuführen. Ob ich nun etwas herausfand oder nicht - ich wollte, dass sie sah, wie gründlich ich vorging. Für sie war ebenso wichtig zu erfahren, welche Punkte ich nicht erhärten konnte, wie sie eine Aufstellung der Fakten brauchte, die ich im Lauf meiner Nachforschungen sammelte. Bei mündlichen Berichten geht durch die Übermittlung vieles verloren. Die meisten Menschen sind keine geübten Zuhörer. Aufgrund der Komplexität unseres Denkprozesses schaltet der Empfänger ab, verdrängt, vergißt oder mißversteht achtzig Prozent des Gesagten. Nehmen Sie fünfzehn Minuten eines x-beliebigen Gesprächs und versuchen Sie es später zu rekonstruieren, dann wissen Sie, was ich meine. Wenn die Unterhaltung irgendeinen emotionalen Inhalt hat, nimmt die Qualität der behaltenen Informationen noch weiter ab. Ein schriftlicher Bericht war auch in meinem Interesse. Wenn eine Woche verstrichen ist, kann ich mich kaum noch an den Unterschied zwischen Montag und Dienstag erinnern, geschweige denn daran, welche Stellen ich aufgesucht habe und in welcher Reihenfolge. Ich habe festgestellt, dass die Klienten einen so lange für kompetent halten, bis der Zahltag heranrückt. Dann erscheint ihnen die Gesamtsumme auf einmal unerhört, und sie stehen da und fragen sich, was man eigentlich getan hat, um den Betrag verdient zu haben. Es ist besser, eine Rechnung mit beigefügter Chronologie einzureichen. Ich belege gern alles ganz genau und bis ins kleinste. Zumindest kann man damit seine Intelligenz und seine schriftstellerischen Fähigkeiten beweisen. Wie könnte man jemandem vertrauen, der mit der Rechtschreibung auf Kriegsfuß steht oder es nicht schafft, einen einfachen Aussagesatz zu formulieren?
    Das andere Thema, das wir behandelt hatten, war die Form meines Honorars. Als selbständige Detektivin hatte ich eigentlich keine felsenfesten Grundsätze, was die Art der Rechnung betraf, erst recht nicht in einem Fall wie diesem, wo
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