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King of the World

King of the World

Titel: King of the World
Autoren: David Remnick
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Anführer der Bewegung fürchteten, daß sie mit Patterson schon bald einen aufrechten Champion, einen würdigen Bannerträger verlieren und statt dessen Sonny Liston, einen verurteilten Sträfling, bekommen würden. Die Bürgerrechtsbewegung hatte schon Probleme genug – der Kampf fiel genau in die Bemühungen James Merediths, in der Universität von Mississippi die Rassentrennung aufzuheben, sowie in das Ringen zwischen dem Obersten Gerichtshof und dem Gouverneur Ross Barnett, der feierlich erklärte, der Staat werde »nicht vom Becher des Völkermords trinken«. Martin Luther Kings Rebellion stellte die mächtigste gesellschaftliche Umwälzung seit dem Krieg dar. Für viele Millionen Amerikaner war die Integration, also die Aufhebung der Rassentrennung unvorstellbar, und jeder Durchbruch der Bürgerrechtsbewegung, jede Gerichtsverhandlung, jeder Marsch, jedes Sit-in war für sie ein Verstoß wider die Natur. Fair oder nicht, das Letzte, was die Führer der Bewegung brauchten, war, daß der prominenteste Schwarze Amerikas das Strafrechtssystem des Staates Missouri zu spüren bekommen hatte, ein Schläger, der wegen bewaffneten Raubüberfalls gesessen hatte. Percy Sutton, der Leiter der Manhattaner Zweigstelle der NAACP , sagte: »Verdammt, machen wir uns doch nichts vor. Ich bin für Patterson, weil er uns besser repräsentiert, als Liston es je könnte.« Sie betrachteten Patterson als einen der ihren, einen Schwarzen, der sich bis ganz oben durchgekämpft hatte (in seinem Fall im Wortsinn); er war ein Vertreter ihrer Rasse, aber einer, den aufgeklärte Weiße akzeptierten, mit dem sie reden konnten. AlsPattersons Frau von einer Masseurin in der Nähe ihres Hauses auf Long Island ein Termin verweigert wurde, klagte er nach dem örtlichen Antidiskriminierungsgesetz. Als Patterson später ein Haus in North Yonkers, in der Nähe von Scarsdale, kaufte, machten ihm seine weißen Nachbarn das Leben schwer; der Zahnarzt, der direkt neben ihm wohnte, stellte sofort einen zwei Meter hohen Zaun auf. Als Patterson seinerseits einen Zaun bauen ließ, brüllte der Zahnarzt, ein gewisser Dr. Morelli, den Arbeitern zu: »Wenn ihr auch nur einen Fuß auf mein Grundstück setzt, habt ihr hoffentlich einen Gerichtsbeschluß dafür.« Schließlich gab Patterson den Kampf auf und zog aus.
    »Ich bin nur ein Teil der Sozialgeschichte unserer Zeit und unseres Landes, und ich kann nicht dahinter zurückbleiben – oder ihr zu weit vorauseilen«, sagte er später in seiner Autobiographie. »Wenn man immerzu mit einer Verbitterung in sich herumläuft, verwandelt sie sich früher oder später in einen Schmerz, der einen dazu bringt, gegen die Ungerechtigkeit die Hand erheben zu wollen. Das aber wollte ich nie tun. Wenn ich nicht legal irgendwohin kann, will ich da auch gar nicht hin. Wenn ich mich nicht legal wehren kann, will ich es auch nicht bösartig tun. Gleichzeitig kann man aber nicht darüber hinwegsehen und so tun, als gäbe es das alles nicht.«
    Ruhm war kein Schutz gegen Demütigungen. Im Frühjahr 1957, nachdem Patterson Weltmeister geworden war, wurde ihm und zwei Sparringspartnern an einem Samstagnachmittag in Kansas City in einem Restaurant nach dem anderen der Zutritt verwehrt. Schließlich kauften sie sich Käse und Cracker und gingen wieder ins Hotel. Sie hörten, daß Jersey Joe Walcott in der Stadt war, um einen Wrestling-Kampf zu leiten, und riefen ihn auf seinem Zimmer an. Als sie zu ihm kamen, sahen sie, daß auch Walcott seinen Lunch auf demZimmer aß; das einzige, was er hatte auftreiben können, waren eine Schachtel Plätzchen und ein Liter Milch. Walcott bot Patterson und seinen Freunden Plätzchen an.
    »Wir haben schon«, sagte Patterson, »genau wie du.«
    »Ist das nicht ein Ding?« sagte Walcott. »Der ehemalige Weltmeister im Schwergewicht und der gegenwärtige Champ, aber in dieser Stadt spielt das alles keine Rolle. Der älteste Champ und der jüngste, und beide müssen auf dem Zimmer essen. Eine schöne Stadt ist das. Da sieht man am besten immer nur geradeaus, wenn man draußen rumläuft, und hört nicht darauf, was die Leute sagen. Deshalb bin ich auch hier auf meinem Zimmer. Weniger Gelegenheit für Mißverständnisse.«
    Liston und Patterson trainierten mehrere Monate lang – Liston in Philadelphia, Patterson in seinem Camp nördlich von New York. Wenige Wochen vor dem Kampf schlugen sie beide ihr Lager in der Nähe von Chicago auf. Die Quartiere, die sie wählten, hätten typischer nicht sein
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