Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kid & Co - V3

Titel: Kid & Co - V3
Autoren: Jack London
Vom Netzwerk:
Fleisch auf ihn herab... So wurde wieder das Leben anderer Wesen vernichtet, damit er weiterleben konnte.
    Das erste Huhn verschlang er roh. Dann ruhte er und schlief, während die Lebenskraft des kleinen Tieres zu einem Teil seines Wesens wurde. Als es dunkel geworden war, wachte er auf, hungrig, aber genügend gekräftigt, um ein Feuer zu machen. Und bis zum frühen Morgen briet und aß er abwechselnd und zermalmte die Knochen zu Brei zwischen seinen Zähnen, die so lange unbeschäftigt gewesen waren. Und dann schlief er ein, wachte, als es wieder Nacht geworden war, und schlief dann weiter bis zum nächsten Tage.
    Da stellte er fest, daß das Feuer mit frischem Holz geschürt worden war und lichterloh brannte. Und über den Gluten am Rande des Feuers hing eine rauchgeschwärzte Kaffeekanne, die ihm bekannt vorkam. Daneben saß... kaum um Armeslänge von ihm entfernt... kein anderer als Kurz, der wohlgefällig eine Zigarette aus Packpapier rauchte, während er ihn aufmerksam beobachtete. Kids Lippen bewegten sich, aber seine Kehle war wie gelähmt, und er hatte Mühe, die Tränen zurückzuhalten, die hervorzustürzen drohten... Er streckte die Hand nach einer Zigarette aus und sog den Rauch mit tiefen Zügen ein.
    »Es ist lange her, daß ich geraucht habe«, sagte er leise. »Sehr sehr lange her.«
    »Und nach deinem Aussehen zu urteilen, ist es offenbar auch lange her, daß du gegessen hast«, fügte Kurz barsch hinzu.
    Kid nickte und machte eine Handbewegung nach den Federn der Schneehühner, die ihn umgaben...
    »Mit Ausnahme der letzten Tage«, antwortete er. »Weißt du, ich möchte gern eine Tasse Kaffee haben... er muß ganz merkwürdig schmecken... und dann Eierkuchen und Speck.«
    »Und vielleicht auch mit Bohnen?« fragte Kurz lächelnd.
    »Die müßten himmlisch schmecken. Ich habe den Eindruck, daß ich wieder einen mächtigen Hunger kriege...«
    Während der eine kochte und der andere aß, erzählten sie einander kurz, was ihnen geschehen war, seit sie sich getrennt hatten.
    »Das Eis auf dem Klondike wollte schmelzen«, schloß Kurz seinen Bericht, »und wir mußten also warten, bis das Wasser wieder befahrbar geworden. Wir haben zwei gute Wrickboote und noch sechs Leute... du kennst sie alle, tüchtige Kerle, kann ich dir sagen... und allerhand Ausrüstung mit, und wir sind langsam, aber sicher vorwärts gekommen, haben gewrickt und geschoben und gezogen. Aber die Stromschnellen mußten die Boote eine gute Woche zurückhalten. Da habe ich die andern zurückgelassen, als sie einen Weg über die Felsen am Ufer anlegten, um die Boote an den Schnellen vorbeizuziehen. Ich hatte so eine Ahnung, weißt du, daß ich weiterlaufen müßte. Deshalb schnürte ich mir ein tüchtiges Bündel mit Proviant und ging. Ich wußte, daß ich dich irgendwo unterwegs finden würde, wenn auch ein bißchen mitgenommen.«
    Kid ergriff seine Hand und drückte sie stumm. »Wollen wir nicht sehen, daß wir weiterkommen?« sagte er.
    »Aber du bist ja so schwach wie ein neugeborenes Zicklein. Du kannst vorläufig nicht ans Wandern denken. Warum denn so eilig?«
    »Weißt du, Kurz, ich bin auf der Suche nach dem Größten und Besten, das es hier in Klondike gibt... und ich kann nicht länger warten... das ist es, Kurz! Fang nur an zu packen. Es ist das Größte in der ganzen Welt! Es ist größer als Seen voller Gold, als Berge aus Gold, größer als alle Abenteuer und als Fleisch essen und Bären töten.«
    Kurz' Augen traten fast aus den Höhlen, so entgeistert war er über diesen Ausbruch.
    »In drei Teufels Namen«, fragte er endlich, »was ist dir denn zugestoßen? Bist du vielleicht verrückt geworden?«
    »Gar nicht, mein Freund... es geht mir sogar verdammt gut. Es kann ja sein, daß man eine Zeitlang ganz ohne Essen leben muß, um die Welt und die Menschen im richtigen Licht zu sehen. Jedenfalls habe ich für mein Teil Dinge gesehen, von deren Dasein ich mir nie hätte träumen lassen. Ich weiß jetzt, was eine Frau ist.«
    Kurz öffnete den Mund, um etwas zu sagen, und sowohl um seine Lippen wie um seine funkelnden Augen lag ein merkwürdiger Zug, der verriet, daß er schon eine spöttische Bemerkung auf der Zunge hatte.
    »Bitte, laß das«, sagte Kid sanft. »Du weißt nichts davon... aber ich habe es kennengelernt.«
    Kurz behielt also seine Bemerkung für sich und schlug ein anderes Thema an.
    »Hm... ich brauche keine fremde Hilfe, um ihren Namen zu erraten! Alle andern sind schon nach dem Überraschungssee
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher