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Kerrion 3 - Traumwelt

Kerrion 3 - Traumwelt

Titel: Kerrion 3 - Traumwelt
Autoren: Unbekannter Autor
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Leuten ungern allein auf. Immer mußte sie jemanden aus der eigenen Sphäre dabei haben, um vom fremden Milieu nicht zu leicht vereinnahmt zu werden. Der junge Mann war mit dieser Reise grundsätzlich einverstanden. Er war immer froh, wenn das Mädchen etwas Angenehmes erlebte, und es war viel unkomplizierter so: Er zog in Frankfurt in eine kleine Pension und würde sehr schnell, abends nach der Arbeit und an den Wochenenden, eine Wohnung gefunden haben, und wenn sie zurückkam, würde er sie überraschen - eine köstliche Vorstellung -, und sie würden den Lastwagen mit Hochzeitsgeschenken aus Hamburg kommen lassen und mit dem Auspacken und Einrichten beginnen.
    Nur daß der Wunsch der Mutter so ganz fraglos und ohne Abwägung befolgt zu werden hatte, verwunderte ihn ein wenig, wenn er jetzt in seinem Alleinsein darüber nachdachte. Ob er in diesen ersten Tagen am neuen Ort den Beistand seiner soeben erst geheirateten Frau brauchen könnte, wurde nicht einmal in Betracht gezogen. Ina machte keine glückliche Miene, als sie ihm vom Vorhaben ihrer Mutter berichtete, aber ihr Bedauern angesichts der objektiven Notwendigkeit -denn die stellte die mütterliche Anordnung ohne jeden Zweifel her - blieb doch klein. Es war nicht das erste Mal, daß ein solches Inbeschlagnehmen vorkam, aber solange sie nicht verheiratet waren, hatte es ihn nicht weiter belastet. Es paßte zur Kindlichkeit des Mädchens, daß es so innig an seiner Mutter hing. Die Schwiegermutter war Witwe, war es da nicht naheliegend, sich mehr um sie zu kümmern? Wenn er nur nicht den Eindruck gewonnen hätte, daß diese Frau einen Menschen, der sich um sie sorgte, gar nicht nötig hatte.
    Frau von Klein war nicht so grazil gewachsen wie ihre Tochter. Ihr hübsches Gesicht war keine altersmäßige Fortentwicklung oder Entfaltung dessen, was im Gesicht ihrer Tochter angelegt war, sondern nur ein wenig weitläufiger, und natürlich lag jenes feine Netz über der Haut, das die auch von der Mutter bewahrte Kindlichkeit aufrührende und Zärtlichkeit wek-kende Weise gealtert erscheinen ließ. Sie war die schönste Schwiegermutter, die sich denken ließ, mit langsamen, lässigen Bewegungen. Auf der Hochzeit hatte sie Rosa getragen, ohne albern zu wirken, und wer weiß wie viele Dummköpfe, weibliche zumeist, hatten die Plattheit nicht gescheut, jedermann zu versichern, Mutter und Tochter sähen aus wie Schwestern - »Ich hoffe doch nicht«, sagte Frau von Klein mit unbewegter Miene, wenn sie so etwas hörte.
    Der junge Mann sah sie vor sich, wie sie nach dem Hochzeitsempfang mit entfernten Verwandten in der Hotelhalle saß und den Friseur, einen häßlichen kleinen Italiener, der sich stets aufs neue schüchtern näherte, dreimal aufs neue wegschickte, obwohl sie ihn bestellt hatte. Der verzweifelte Mann mußte logistisch Außerordentliches leisten und beständig die Termine der anderen Damen umlegen, ohne daß er von ihr mehr als einen blanken Bück ohne die Spur auch nur gespielten Bedauerns erhielt.
    »Sie ist vollkommen unabhängig von der Zustimmung anderer«, dachte der junge Mann, »sie nimmt andere Menschen kaum wahr.« Beim Abendessen war ihr Haarhelm dann makellos, als hätte sie den Nachmittag unter der Haube verbracht. Wirkliche Kälte hat etwas mit vollständiger Gerechtigkeit gemeinsam. Sie vermag sogar als Stärke erscheinen und dämpft zunächst auch die Empörung der anderen. Trotzdem wuchs da inzwischen ein kleiner Groll bei dem jungen Mann. »Frankfurt ist eine scheußliche Stadt«, sagte Frau von Klein, als er ihr stolz von seiner neuen Stelle erzählte. War das alles, was sie zu dieser erfreulichen Nachricht zu sagen hatte?
    Ina hing an den Lippen ihrer Mutter, aber als sie zu ihm hinübersah, lächelte sie. Und so mußte es auch sein. Dieser gemeinsame Neubeginn mußte Ina mit Freude und Zuversicht erfüllen. Ob sich in Frankfurt auch für sie sofort ein Job finden würde, durfte durchaus erst einmal unwichtig sein. Man lebte in der Stadt, in der man arbeitete. Was war überhaupt eine scheußliche Stadt? Gewiß nicht die, durch die er jetzt nach dem Büro mit dem Fahrrad fuhr.
    Er trug noch seinen dunklen Nadelstreifenanzug, seine Uniform als assistant executive, wie er auf seiner neuen Visitenkarte genannt wurde, aber die Krawatte hatte er in die Rocktasche gesteckt, denn wenn man den gekühlten Glasturm verließ, in dem sein Büro lag, prallte man gegen die Hitze wie gegen eine Wand. Es war erst Juni, aber in Frankfurt schon heißer als am
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