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Keiner wird weinen

Keiner wird weinen

Titel: Keiner wird weinen
Autoren: Polina Daschkowa
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Ventilator. Denis bestellte sich Rührei mit Schinken und zwei
     Espresso. In den unbequemen Kaffeehausstuhl gelehnt, beobachtete er, wie der dicke Inhaber mit der kecken Kochmütze auf dem
     Kopf an einem kleinen Elektroherd hinter der Theke Eier in die zischende Pfanne schlug.
    Obwohl er keinen Appetit hatte, zwang er sich, alles aufzuessen. Nach der ersten Tasse des heißen, süßen Kaffees zündete er
     sich eine Zigarette an. Wenn das alles vorbei ist, kaufen Anton und ich das Haus in Karlštejn. Das von damals, das einstöckige
     aus dem vorigen Jahrhundert. Wir renovieren es, reparieren den Kamin, legen Wasser- und Abwasseranschlüsse und richten drei
     Badezimmer ein. Anton wird natürlich seine Weiber mitschleppen. Soll er ruhig! Im Haus ist genug Platz, außerdem hat es zwei
     separate Eingänge. Auf der Wiese vorm Haus könnte man einen kleinen Tennisplatz anlegen …
    Denis verschluckte sich am heißen Kaffee. Er mußte furchtbar husten, konnte gar nicht aufhören. Tränen strömten ihm übers
     Gesicht, er wurde puterrot. Der Inhaber sah ihn von der Theke aus mitfühlend an, füllte Wasser in ein Glas und kam an seinen
     Tisch.
    »Soll ich dem Herrn auf den Rücken klopfen?«
    Doch Denis konnte kein Wort sagen, er schüttelte nur den Kopf, nahm das Glas und trank gierig das kalte Wasser. Das half.
    »Nur Kaffee?« hörte er den Inhaber bereits am Nebentisch fragen.
    »Ja, möglichst stark und mit Zucker«, antwortete jemand in gebrochenem Englisch.
    Denis tupfte sich die tränenden Augen mit einer Serviette ab. Am Nebentisch saß der schnurrbärtige Killer.
     
    »Und was soll ich meinem Mann sagen?« fragte Galja, während sie mit klopfenden Fingerspitzen die Tagescreme auftrug.
    Jetzt, bei hellem Tageslicht, offenbarte der Toilettenspiegel, daß sie nicht mehr jung war. Ihr Gesicht war aufgedunsen, Augenbrauen
     und Wimpern waren farblos, Nase und Lippen ein wenig zu dick, überm Hals hing ein Doppelkinn.
    »Sag deinem Wowtschik, während er in Stockholm seinen finsteren Geschäften nachgegangen ist, hat sich seine Frau mit einem
     feurigen jungen Liebhaber amüsiert. Und dieser Liebhaber, ein netter Kerl übrigens, hat ein paarmal in Prag angerufen.«
    »Red keinen Quatsch.« Galja runzelte die Stirn.
    Sie fuhr sich rasch mit einem rosa Schwamm über Kinn und Wangen, und eine gleichmäßige Schicht Make-up bedeckte ihr Gesicht.
     Anton war immer wieder verblüfft, wenn er sah, wie die nicht mehr junge, ziemlich verlebte Frau sich in eine gepflegte, auffallende
     Schönheit verwandelte.
    Er hatte Galja Ignatjewa erst einen Monat, nachdem sie sich kennengelernt hatten, zum erstenmal ohne Make-up gesehen. Zuvor
     war sie selbst im Bett »in voller Maske« geblieben, wie sie selbst es nannte. Als Anton mit ihr unter der Dusche stand, begriff
     er, warum. Das laufende Wasser entblößte ein völlig anderes Gesicht. Seitdem genierte sie sich nicht mehr vor ihm.
    »Ohne Make-up fühle ich mich wie ohne Haut«, sagte sie, »wie eine Schnecke ohne Schneckenhaus oder ein Igel, der auf dem Rücken
     liegt. Dir vertraue ich – sehr. Ich hoffe, du weißt das zu schätzen.«
    Er wußte es zu schätzen. Überhaupt benahm er sich seinen zahlreichen Passionen gegenüber stets wie ein Gentleman, erduldete keine Tränen, keine Szenen und keine problembeladenen Trennungen. Er verstand es so einzurichten, daß jede glaubte,
     sie sei seine Einzige. Wenn er sich von einer Frau trennte, dann meinte sie stets, sie habe den leichtfertigen Schönling verlassen.
     Ein bißchen mit ihm gespielt und ihn dann verlassen. Das schmeichelte der Eitelkeit der alternden, sich langweilenden Damen,
     ob alleinstehend oder verheiratet, ob erfolgreiche Unternehmerin oder romantische reiche Müßiggängerin.
    Anton war keineswegs ein Gigolo. Er mochte Frauen im balzacschen Alter. Aber er verabscheute Eintönigkeit. Wenn sich eine
     neue Affäre anbahnte, glaubte er jedesmal aufrichtig, die Sache sei ernst und von langer Dauer. Doch noch ehe sie zu Ende
     war, begann wie von selbst bereits die nächste. So kam es, daß Anton bisweilen mit drei, vier Damen gleichzeitig liiert war,
     ohne es eigentlich zu wollen.
    Oft machten die Umstände es notwendig, daß er ein paar Tage untertauchen mußte. Dafür kamen ihm die Wohnungen seiner alternden
     Passionen gerade recht – das einzige berechnende Moment seiner Liebschaften mit reichen Damen im balzacschen Alter.
    Diesmal war die Dienstreise des Dumamitgliedes Ignatjew nach Schweden für seine
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