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Kater mit Karma

Kater mit Karma

Titel: Kater mit Karma
Autoren: H Brown
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meiner Meinung an, dass die meisten Frauenrollen im Vergleich zu den Männerrollen banal waren. Sie hatte ein sonniges Gemüt, war aber gleichzeitig einfühlsam und eine gewissenhafte Schülerin. Tatsächlich fragte ich mich manchmal, ob sie die Schule vielleicht zu ernst nahm. Katharines sehnlichster Wunsch war ein Kätzchen. Sie würde auch jeden Tag das Katzenklo saubermachen, versprochen. Das würde ich allerdings erst glauben, wenn der Dalai Lama zum Katholizismus konvertierte.
    Lydia war etwas kleiner als Katharine und hatte ein hübsches, ovales Gesicht, das von glatten dunkelblonden Haaren umrahmt wurde. Ihre Augen funkelten olivgrün. Von ihrem Vater Steve, meinem ersten Mann, hatte sie die vollen Lippen und den hellen Teint geerbt. Sie war knapp zwei Jahre nach dem Tod ihres ältesten Bruders auf die Welt gekommen und praktisch eine weibliche Ausgabe von Sam, nur dass sie Linkshänderin war. Von Anfang an hatte sie jedoch klargemacht, dass sie in niemandes Schatten stand.
    Lydia hatte mich nie Mum genannt. Ich weiß nicht, warum. Sie war einfach in der Annahme auf die Welt gekommen, wir befänden uns auf gleicher Augenhöhe. Es machte mich nicht gerade glücklich, von meiner kleinen Tochter Helen genannt zu werden, vor allem wenn sich Fremde neugierig umschauten und fragten, wo denn die Mutter dieses Wonneproppens sei.
    Es schien sie nicht besonders zu erschüttern, als Steve und ich uns kurz nach ihrem ersten Geburtstag trennten. Später lernte sie Philip als Vater lieben.
    Es ist allerdings nicht absehbar, welche Auswirkungen es auf ein Kind hat, in eine trauernde Familie hineingeboren zu werden. Von klein auf schien Lydia das Bedürfnis zu haben, die ganze Welt besser zu machen. Während ihre Freunde Lieder aus der Sesamstraße summten, sang sie »Stand by Me«. Mit fünf erklärte sie sich zur Vegetarierin und zwang mich zu lügen, was den Inhalt der Würstchen auf ihrem Teller betraf. Sie weigerte sich sogar, Schokoladentiere zu essen.
    Ich hatte gehofft, die anglikanische Mädchenschule würde ihr die Stabilität geben, die ihr vielleicht fehlte, weil sie im Zweiwochenrhythmus zwischen verschiedenen Haushalten hin und her transportiert wurde. Die Schulkapelle war einer der wenigen Orte, an denen ihre Loyalität nicht auf die Probe gestellt wurde. Man konnte sich darauf verlassen, dass die Heilige Jungfrau den Mund hielt, und Gott würde nicht über das Sorgerecht streiten. Sie verliebte sich in den Pfarrer und wollte getauft werden.
    Wir hatten Höhen und Tiefen durchlebt, insbesondere, als Philip nach Melbourne in Australien versetzt wurde, auf die andere Seite der Tasmanischen See. Lydia, damals dreizehn, wehrte sich mit Händen und Füßen dagegen, Land und Schule zu wechseln. Nachdem sie sich erst einmal damit abgefunden hatte, entwickelte sie sich jedoch zu einem wahren Multitalent.
    Das Ergebnis ihrer Abschlussprüfungen bescherte ihr mit siebzehn ein Stipendium der Universität Melbourne und eine verwirrende Auswahl an Studienfächern. Sie entschied sich für Politik- und Wirtschaftswissenschaft.
    Obwohl sie nur Bestnoten einheimste, war das Einzige, was ihre Augen zum Leuchten brachte, die Arbeit mit behinderten Menschen.
    Sie zog in eine Wohngemeinschaft, dann nahm sie ein Jahr Auszeit und reiste durch die Dritte Welt. Mit den Erfahrungen eines ganzen Lebens in Form von Fotodateien auf ihrem Handy war es an der Zeit, sich wieder dem Ernst des Lebens zuzuwenden. Dafür musste sie nichts weiter tun, als in ihrem schönen neuen Zimmer auf ihre alten Teddys aufzupassen und ihr Studium wiederaufzunehmen.
    Ich war zu beschäftigt mit unserem neuen Haus, um zu bemerken, dass unsere ältere Tochter etwas anderes plante – etwas, das mich emotional, geistig, spirituell und in so manch anderer Hinsicht in einer Weise herausfordern sollte, die meine Vorstellungskraft weit überstieg.

5.
Inspiration
    Lehrer nehmen viele Gestalten an.
    Lydia und Katharine machten sich umgehend daran, ihren Zimmern eine persönliche Note zu geben. Wir hörten es über unseren Köpfen poltern und hämmern, als sie Betten verschoben und Bilder aufhängten. Sie unternahmen Ausflüge in Trödelläden. Katharine brachte Filmplakate aus den Fünfzigern und eine geblümte Bettdecke mit nach Hause. Sie säumte ihre Wände mit Büchern und dekorierte ihr Fenster mit Lichterketten.
    Lydia wollte nicht, dass ich ihr Zimmer sah, bevor es fertig war. Ich hatte bereits eine vage Vorstellung davon, was darin stand – nicht sehr viel
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