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Kastner, Erich

Kastner, Erich

Titel: Kastner, Erich
Autoren: Die verschwundene Miniatur
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begreif’s nicht«, sagte Irene Trübner. »Die Miniatur wurde doch aus meiner Handtasche geraubt! Als in der Tanzdiele das Licht wieder brannte, war doch meine Handtasche leer!«
    »Möglicherweise haben Sie sich geirrt«, meinte der Beamte.
    »Vielleicht hatten Sie vor dem Überfall nicht das Original, sondern die Imitation in der Handtasche?«
    »Ausgeschlossen«, erwiderte die junge Dame. »Völlig ausgeschlossen! Die Imitation war ja eben erst von der Bande wiedergebracht worden. Sie lag noch vor Herrn Külz auf dem Tisch, als es dunkel wurde!«
    »Stimmt«, bestätigte der Fleischermeister. »Samt dem unverschämten Brief.«
    »Ich stehe vor einem Rätsel«, erklärte der Kommissar. »Herr Steinhövel, ist es möglich, daß mehrere Imitationen existieren?«
    »Nein. Das ist unmöglich.«
    »Dann«, sagte der Kommissar, »gibt es nur eine Lösung! Wenn nämlich die Miniatur, die wir bis jetzt für die echte hielten, die Kopie ist, dann muß notwendig die andere, die Sie bis jetzt für die Imitation ansahen, das Original sein! Liebes Fräulein Trübner, wo befindet sich augenblicklich die zweite Miniatur?«
    Die Lippen des jungen Mädchens waren blaß und zitterten. »Ich habe sie Herrn Külz, weil er so nett zu mir war, geschenkt. Ich dachte, Herr Steinhövel hätte gewiß nichts dagegen.«
    Herr Steinhövel zeigte auf das Holzkästchen, das auf dem Schreibtisch stand. »Die wirkliche Kopie wollen wir Herrn Külz von Herzen gern als Andenken verehren. Aber was haben Sie inzwischen mit der Miniatur gemacht, Herr Külz, die Ihnen meine Sekretärin gestern geschenkt hat und die sich nun als das Original herausstellt?«
    Der Fleischermeister schlug sich aufs Knie. »Das ist ja ein tolles Ding!« Er lachte schallend.
    »Wo ist die Miniatur?« fragte der Kommissar nervös.
    »Sie hängt in meiner Ladenstube!« rief Külz vergnügt. »Über dem alten Ledersofa. Neben den Familienfotos!«
    Die anderen atmeten erleichtert auf.
    »Wenn meine Emilie erfährt, daß bei uns überm Sofa eine halbe Million hängt, schnappt sie über. Wissen Sie, was sie gesagt hat, als sie die Miniatur sah?« Külz machte eine Kunstpause. Dann fuhr er fort: »Sie hat gesagt, eine Tafel Schokolade wäre ihr lieber gewesen!«
    Die andern lächelten entgegenkommend.
    »Na«, konstatierte der Kommissar. »Da haben wir ja noch einmal Glück gehabt. Ich hatte schon Angst, Herr Külz hätte die halbe Million im Zug liegenlassen.«
    »Erlauben Sie«, meinte Külz. »Ein Geschenk von Fräulein Irene läßt man doch nicht liegen! Das wäre ja Sünde!«
    »Lieber Herr Külz«, bat der Kommissar, »seien Sie so freundlich und rufen Sie Ihre Gattin an! Sagen Sie ihr, wir schickten umgehend ein paar Beamte. Denen soll sie das kleine Reiseandenken aushändigen! Wir wollen ihr gern ein paar Tafeln Schokolade als Tauschobjekt mitschicken.«
    »Gemacht«, sagte Külz. Er ging zum Telefon. »Aber schicken Sie, wenn ich bitten darf, Zivilisten. Sonst denkt man in der Yorckstraße, die Külze sind unter die Ganoven gegangen.«
    »Ganz wie Sie wünschen!«
    Der Fleischermeister drehte an der Nummernscheibe und zwinkerte, während er auf Anschluß wartete, Fräulein Trübner zu.
    »Ja, ja«, meinte er gut gelaunt. »Wenn ihr den Papa Külz nicht hättet!«
    Im Apparat meldete sich eine Stimme.
    »Hallo!« rief Külz. »Emilie, bist du’s? Jawohl, ich bin noch auf dem Präsidium. Nun hör einmal gut zu! Erschrick aber nicht! Wir wollen nämlich ein paar Kriminalbeamte herumschicken. Nein, nein.
    Sie wollen dich nicht mitnehmen. Sondern die Miniatur. Die Miniatur! Verstehst du? Wie? Menschenskind, das kleine Bild, das ich dir von der Reise mitgebracht habe! Das über dem Sofa hängt! Hast du mich verstanden? Na also!«
    Hierauf hörte man aus dem Apparat eine Weile gar nichts, dann aber eine Flut von Worten.
    Herr Oskar Külz stützte sich plötzlich schwer auf den Schreibtisch. Dann legte er geistesabwesend den Hörer hin, stierte den Kommissar und die anderen an und fuhr sich über die Stirn. Er tappte schwerfällig zu seinem Stuhl und sank in sich zusammen.
    »Was haben Sie denn?« fragte Fräulein Trübner besorgt.
    »Meine Miniatur ist auch weg«, sagte er leise.
    Der Kommissar sprang auf. »Was soll das heißen, Herr Külz?«
    »Wenn ich das nur wüßte!« sagte der verstörte Fleischermeister.
    »Ein junger Mann war da und hat mich dringend sprechen wollen.
    Emilie hat ihn in die Ladenstube geführt. Dort könne er auf mich warten, hat sie gesagt. Dann ist
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