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Karl der Große: Der mächtigste Kaiser des Mittelalters - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Karl der Große: Der mächtigste Kaiser des Mittelalters - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Karl der Große: Der mächtigste Kaiser des Mittelalters - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Autoren: Unbekannt
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aufzubauen.
    SPIEGEL: Herr Professor, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Die »Pseudo-isidorischen Dekretalen« – eine Fälschung mit welthistorischen Folgen
    Um 850 verfertigten westfränkische Kleriker, wohl für den späteren Bischof Hinkmar von Laon, ein kompliziertes Dokumentengestrüpp: Sie verwoben altes Kirchenrecht mit gefälschten Satzungen, die angeblich von Gottesmännern früher Zeiten stammten, sogar Päpsten des 1. Jahrhunderts. Mit den etwa 10000 manipulierten oder erfundenen Zitaten, die einem Isidorus Mercator zugeschrieben wurden, sollte die Stellung des Klerus gegen Erzbischöfe und Laien gestärkt werden. Schon ihr erstes Opfer, der Metropolit Hinkmar von Reims, witterte Betrug, im 15. Jahrhundert auch Nikolaus von Kues. Aber als Ende des 16. Jahrhunderts das Ausmaß der Fälschungen klar wurde, waren viele Sätze unumstößlich. Noch heute finden sich im katholischen Kirchenrecht Spuren dieser Unterschiebungen aus der Karolingerzeit.

TEIL II

DAS REICH DER
FRANKEN

Herrschaft der Monstersöhne
    Am Ende der Antike stiegen die Franken zu Machthabern in weiten Teilen Europas auf. Die Zeit der Merowinger steckt voller Geheimnisse.
    Von Hans-Ulrich Stoldt
    Es war ein schwerer Job, den Adrien Quinquin mit seinen Kollegen am 27 . Mai anno 1653 in Tournai zu verrichten hatte. Das Fundament für ein neues Armenhaus in der damals spanisch-niederländischen Stadt sollte gelegt werden, zwei Meter tief im felsigen Boden. Plötzlich hielt Quinquin bei seinen Grabungen inne. Zwischen Erde und Gestein lag ein seltsamer Gegenstand – eine lederne Geldbörse, wie sich schnell erwies, darin: zahlreiche Goldmünzen. Der taubstumme Arbeiter war auf ein Grab gestoßen, dessen historische Bedeutung den herbeieilenden Klerikern und Archäologen erst allmählich dämmerte. Neben den Gebeinen eines knapp 1 , 80 Meter großen Mannes und eines Pferdes fanden sich Waffen in der Grube – unter anderem ein zweischneidiges Schwert, eine Lanze und eine Wurfaxt. Dazu verschiedene Dinge des täglichen Lebens und etliche Pretiosen, wie etwa 300 goldene Anhänger in Bienenform, Armreife und Schnallen. Besondere Aufmerksamkeit der Wissenschaftler aber erregte ein Siegelring aus massivem Gold. Er war geschmückt mit dem stilisierten Porträt eines Mannes, der einen Halsring und einen Brustpanzer trug und dessen in der Mitte gescheitelte Haare bis auf die Schultern fielen. Außen am Rand die Inschrift: CHILDERICI REGIS – König Childerichs (Eigentum).
    Zweifellos war man auf die Grabstätte des um 481 verstorbenen Frankenkönigs Childerich gestoßen, von dem die Nachwelt bis dahin nur aus vagen Quellen wusste. Unversehens hatte sich ein Fenster aufgetan zur tief im Geschichtsdunkel liegenden Zeit der Merowinger. Es waren jene Jahrzehnte, als das herrschaftsmüde Römische Reich in Dekadenz und Bürgerkrieg versank und barbarische germanische Stämme neue, stabilisierende Kräfte herausbildeten. Allen voran die zunächst längs des Rheins siedelnden Franken, die unter der Herrschaft der Merowinger zu einer zentralen Macht heranwuchsen. »Die Franken und ihre erste Dynastie, das Königsgeschlecht der Merowinger, stehen vermittelnd zwischen Spätantike und Mittelalter«, so der US -Historiker Patrick J. Geary. Die oft unterschätzte Ära hat die Entwicklung Europas nachhaltig geprägt; das sich in dieser Zeit herausbildende fränkische Reich kann als Urzelle für viele spätere Staaten gelten. Childerich ist der erste eindeutig bezeugte Vertreter jener Dynastie, die vom 5 . bis zum 8 . Jahrhundert weite Teile Europas beherrschte.
    Die Erkenntnisse über jene dunkle Zwischenzeit sind indes nach wie vor dürftig. Nur wenige Funde blieben erhalten, und die spärlich überlieferten schriftlichen Quellen gelten als äußerst unzuverlässig. »Kaum eine andere Epoche der europäischen Geschichte ist so sagenumwoben und so legendenverhangen wie jene Jahrhunderte«, urteilt Historiker Geary. »Kein Bereich der Geschichte der Merowinger ist unumstritten.«
    Zahlreiche königliche Herrscher gaben sich das Zepter in die Hand – oder entrissen es einander mit Gewalt. Mehr als 30 Childerichs, Childeberts, Chilperichs, Chlothars, Theuderichs, Theudeberts und wie sie alle hießen, zeugen von einer äußerst verwickelten Genealogie der Merowinger. Etliche Male übernahmen zudem Frauen für ihre minderjährigen Söhne oder Enkel die Regentschaft. Chaotische Erbfolgen, Reichsteilungen und Koalitionen, grausige Mordtaten, selbst in der eigenen
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