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Kaputt in El Paso

Kaputt in El Paso

Titel: Kaputt in El Paso
Autoren: Rick DeMarinis , Frank Nowatzki , Angelika Müller
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ihn so lange aus, bis er wieder zu sich kommt und um göttliches Wasser bettelt. Aber dem war nicht so. Clive Renseller, Banker und Stütze der Gesellschaft, war tot.
    »Mein Gott«, sagte Mona, »das hat mir gerade noch gefehlt.«
    »Ruf 911 an«, sagte ich, »es sieht aus, als ob Clive einen Herzinfarkt hatte.«
    »Nein. Zuerst rufe ich seine Frau an. Das ist eine höchst unangenehme Situation.«
    Wir gingen wieder hoch und Mona telefonierte. »Jillian Renseller ist gleich hier«, erklärte sie. »Ich hab sie auf ihrem Mobiltelefon erwischt – sie war gerade unterwegs, irgendwo zum Abendessen. Die Arme hat darum gebeten, vorerst niemanden zu benachrichtigen. Ich respektiere das.«
    »So was kann man doch nicht respektieren«, widersprach ich. »Das Gesetz – «
    »Jetzt hör mal gut zu«, sagte Mona, »hier steht einiges auf dem Spiel. Wenn das publik wird, ist mein Geschäft ruiniert. Die meisten meiner Kunden sind namhafte Bürger. Die wollen ihr Privatleben nicht unter dem Mikroskop ausbreiten. Das kannst du doch nachvollziehen, oder? Bekommt die Presse erst mal Wind davon, werden sie wochenlang unsern Rasen belagern. Meine Kunden werden sich fern halten müssen. Das kann ich mir nicht leisten. Jillian hat ebenfalls viel zu verlieren. Im Grunde haben alle was zu verlieren. Bitte, Uri, funk mir jetzt nicht dazwischen.«
    Mitgefühl gehörte nicht unbedingt zu Monas offensichtlichen Qualitäten. Das war das eine, aber Rensellers Tod nicht zu melden war illegal und ich sollte dabei mitmachen. Vor einiger Zeit war ein hoher Verwaltungsangestellter unserer Universität im Apartment seiner Geliebten im Baron Arms zusammengebrochen und gestorben. Ich hatte den Notruf alarmiert und bereits am folgenden Tage beschäftigte der Skandal alle Tageszeitungen. Er lieferte der Boulevardpresse wochenlang Futter für ihre Schlagzeilen. Für die Familie des Toten ein Desaster. Ein derartiges Nachspiel lässt sich nicht immer vermeiden. Wenn ein Mann nicht in der Lage ist, Ruf und Familie durch angemessenes Verhalten zu schützen, warum sollten es dann andere tun?
    »Auf mich kannst du dabei nicht zählen«, erklärte ich und wollte zur Tür.
    »Moment mal, Uri«, sagte Mona und hielt mich am Arm fest. Diesmal spannte ich nicht an. »Du könntest in diesen hässlichen Skandal hineingezogen werden. Mir ist klar, dass du nicht viel zu verlieren hast, aber bedenke, dass in allen Zeitungen Fotos von dir auftauchen könnten. Fotos mit dir als Henker, der mit einem Beil auf Mr. Renseller losgeht. Die Maske wird dich nicht schützen, dein Name kommt ans Tageslicht. Kannst du mit so was umgehen?«
    »Welche Fotos?«, fragte ich. Aber ich verspürte bereits dieses flaue Gefühl in der Magengegend, wenn einem bewusst wird, was man sowieso weiß: Der Anschiss lauert immer und überall.
    »Es wird alles auf Video festgehalten, was wir da unten machen. In den Wänden befinden sich vier Kameras, zwei sind in der Decke. Das muss sein, schon zu unserem eigenen Schutz. Wir brauchen Beweise, das alles im beiderseitigen Einvernehmen geschieht. Sollte ein Kunde aus welchen Gründen auch immer behaupten, er sei gegen seinen Willen von uns misshandelt worden, werden die Bänder das Gegenteil beweisen.«
    »Du willst mich erpressen, damit ich kooperiere.«
    »Nein, will ich nicht. Aber wenn die Polizei Rensellers Tod untersucht, wird sie vermutlich auch das mit den Bändern herausfinden. Ich habe keine Möglichkeit, darauf Einfluss zu nehmen.«
    »Letzten Endes werden die Behörden von Rensellers Tod erfahren.«
    »Richtig. Doch was sie letzten Endes erfahren, kann doch ein wenig … korrigiert werden.«
    Ich hörte das Quietschen von Reifen.
    »Das muss Jillian sein«, bemerkte Mona.
    Mona ging, um die Tür zu öffnen, und führte Jillian anschließend in die Küche. Jillian war eine zierliche Frau um die dreißig. Ihr schwarzes Haar war kurz geschnitten und mit blonden Strähnchen durchzogen. Sie hatte ein fein geschnittenes Gesicht, irgendwie mediterran, mit einer prägnanten Nase, olivfarbener Haut und dunklen, schimmernden Augen. Ihr Mund war schmallippig und zu einer scharfen Linie verzogen. Sie trug verwaschene Jeans, Sweatshirt und Tennisschuhe. »Wo ist dieser verdammte Narr?«, fragte sie mit einem Zittern in der Stimme.
    »Unten, in der Dusche«, sagte ich. »Dieser verdammte Narr hatte einen Herzinfarkt.« Es hatte nicht den Anschein, als würde Rensellers Ableben irgendjemanden in abgrundtiefe Verzweiflung stürzen.
    »Wer sind Sie?«,
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