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Kantaki 04 - Feuervögel (Graken-Trilogie 1)

Kantaki 04 - Feuervögel (Graken-Trilogie 1)

Titel: Kantaki 04 - Feuervögel (Graken-Trilogie 1)
Autoren: Andreas Brandhorst
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GESTADE
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    (10. Februar 1114-15. März 1114
    Ära des Feuers)

 
1. Vor der Hölle
     
     
    10. Februar 1114 ÄdeF
     
    Das gleichmäßige Summen des getarnten Raumschiffs versprach eine Sicherheit, die nicht existierte. Draußen lag der Feind auf der Lauer.
    Tako Karides traf die letzten Vorbereitungen, und dazu gehörte ein Blick in die Vergangenheit. Direkt vor ihm in seinem kleinen Quartier an Bord der Talamo schwebte ein quasireales Bild, präsentierte dem Auge drei Dimensionen und dem Tastsinn Quasimaterie. Tako berührte die Wangen seines Sohns Manuel, der als Sechsjähriger auf Meraklon gestorben war, zusammen mit seiner Mutter Dalanna, zwei von vielen Opfern der Graken. Er fühlte weiche Haut, die Nässe einer Freudenträne, sah den Glanz in den großen braunen Augen des Jungen, das Lächeln auf seinen Lippen. Aus welcher Zeit stammte diese Aufnahme? Der Umstand, dass ihm die Antwort nicht sofort einfiel – und dass er die Wange des Jungen berühren konnte, ohne dass dieser Kontakt und der Anblick des Knaben etwas in ihm berührten –, deutete darauf hin, dass er zumindest in emotionaler Hinsicht für den Einsatz bereit war. Die schwere Last des Verlustes und der Hass auf die Graken existierten nach wie vor, aber nur noch als fernes Flüstern in den tiefen Gewölben seines Geistes. Die Gedanken blieben jetzt von diesen Empfindungen unbeeinflusst, und wenn sie sich dem Epizentrum näherten, würden die Graken nicht so leicht eine emotionale Schwachstelle in ihm finden, die ihnen Zugang zu seinem Inneren bot.
    Wenn wir es bis zum Epizentrum schaffen , dachte er, ohne eine Spur Pessimismus oder gar Fatalismus. Mit der rechten Hand tastete er nach den drei Bionen an seinem Hals, ein Geschenk der Tal-Telassi für diesen Einsatz. Sie schmiegten sich flach an die Wölbung, wo sich Hals und Schulter trafen, waren inzwischen so hart wie Horn.
    Tako wusste genau, welche Vorteile die Befreiung von Emotionen gerade im Kampf gegen die Graken bot, aber er war – noch? – nicht bereit, eine Lobotomie durchführen zu lassen. Jener Schritt erschien ihm zu drastisch. Außerdem sah er in seinen Gefühlen, so belastend sie auch sein mochten, einen Teil von sich selbst. Sie gehörten zu ihm, zu der Persönlichkeit namens Tako Karides.
    Aber jetzt, hier, in der gegenwärtigen Situation, tat es gut, die Last der Gefühle wenigstens vorübergehend abzustreifen und sich ganz auf die Mission zu konzentrieren. Die Konfrontation mit den Bildern seines Sohns bewies, dass die Bione den gewünschten Zweck erfüllten. In dieser Hinsicht war Verlass auf die Tal-Telassi.
    Tako hörte eine winzige Veränderung im Summen des Schiffes und schloss daraus, dass sie sich dem Planeten näherten. Die Akonda , die sie bis zum Detritusgürtel des Sonnensystems gebracht hatte, wartete dort, verborgen zwischen primordialem Schutt, ihre energetische Aktivität auf ein Minimum reduziert, um nicht von den Kronn geortet werden zu können.
    Noch einmal streckte Tako die Hand aus und berührte die Wange seines vor zwei Jahren gestorbenen Sohns. Auch diesmal blieben Verzweiflung und Wut aus, die ihn manchmal, ohne Bione, innerlich zu zerreißen drohten.
    Ein akustisches Signal erklang.
    »Ja«, sagte Tako, und das Türsegment öffnete sich. Rinna sah herein und bemerkte das quasireale Bild.
    »Bist du so weit?«
    Er betätigte ein Schaltelement, und das Bild seines Sohns verschwand. »Die Bione funktionieren einwandfrei.«
    »Unsere ebenfalls. Hoffentlich halten sie lange genug durch. Diese gehören zu einer neuen Subspezies.«
    »Sie haben gründliche Untersuchungen hinter sich. Die Tal-Telassi gehen immer mit großer Sorgfalt vor.«
    »Aber diese Bione sind noch nie bei einem echten Einsatz erprobt worden.«
    Tako sammelte seine wenigen Sachen ein – den Kampfanzug trug er bereits – und trat dann zu Rinna, die im schmalen Eingang des Quartiers wartete. Sie war einen Kopf kleiner als er, und ein ganzes Stück jünger, kaum dreißig, wirkte selbst in ihrem Kampfanzug zierlich und zerbrechlich. Tako wusste längst, wie sehr dieser Eindruck täuschte. Rinna zählte zu den zähesten und ausdauerndsten Kämpfern, die er kennen gelernt hatte, seit er in den Streitkräften der Allianzen Freier Welten den Rang eines »Keils« einnahm. Immer gehörte sie zu den Letzten, die sich vor dem Feind zurückzogen. Manchmal war sie zu mutig, und Tako hatte sich mehrmals gefragt, welcher innere Dämon sie antrieb. Sie zählte zu den
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