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Kaelter als dein Grab

Kaelter als dein Grab

Titel: Kaelter als dein Grab
Autoren: Linda Castillo
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mal einundzwanzig –, als sie Ian Rasmussen kennengelernt hatte. Aber warum hatte sie so lange gebraucht, um zu erkennen, wer er wirklich war?
    Als hätte er gespürt, in welche Richtung ihre Gedanken gingen, wandte Jake sich ihr zu. „Wenn du nicht gewesen wärst, hätte man ihm niemals den Prozess machen können.“
    Die Erwähnung des Prozesses löste unangenehme Erinnerungen in ihr aus. Die Prozesstermine waren ein Albtraum gewesen. Leigh hatte als Zeugin gegen Rasmussen ausgesagt. Allerdings hatte Rasmussens einflussreicher Anwalt sein Bestes getan, um sie und die MIDNIGHT Agency auf die Anklagebank zu bringen. Auf diese Weise war herausgekommen, dass sie und Jake miteinander geschlafen hatten, sodass MIDNIGHT ein offizielles Disziplinarverfahren gegen Jake eingeleitet hatte wegen unangemessenen Umgangs mit einer Zeugin. Rasmussens Anwalt hatte versucht, mit dieser Information den ganzen Prozess abzuwehren. Der Richter durchschaute den Trick allerdings. Doch Rasmussen war außer sich. Leigh hatte ihn nicht nur verraten, indem sie verwanzt gewesen war und ihre Gespräche für die Polizei aufnahm, sie hatte ihn auch noch auf einer viel persönlicheren Ebene verraten,indem sie mit jenem Mann geschlafen hatte, der ihn festgenommen hatte.
    Als sie zu Jake hinüberblickte, sah sie in ihm für einen kurzen Moment den Mann, der er vor sechs Jahren gewesen war. Er war ihr Beschützer gewesen, voller Hitze, Kraft und stählerner Kontrolle. Doch Leigh hatte gesehen, wie diese Kontrolle bröckelte. Nie würde sie vergessen, wie er sie angesehen hatte, als sie sich zum ersten Mal küssten. Wie sich seine Augen umschatteten, als er sie berührte. Nie würde sie vergessen, wie sein Körper gebebt hatte, als er in ihr war. Oder den Moment, als ihre eigene Kontrolle mit einer Macht zerstört wurde, die sie zu Tränen gerührt hatte…
    Diese Bilder waren für immer in ihrem Herzen eingebrannt, ob sie es wollte oder nicht.
    „Er wird nie aufhören, nach mir zu suchen, nicht wahr?“, fragte sie nach einer Pause.
    Jakes düstere Miene sagte alles. „Nein“, flüsterte er.

4. KAPITEL
    Jake glaubte nicht, dass die Kugel irgendetwas Lebenswichtiges getroffen hatte, doch die Wunde tat verdammt weh. Am späten Nachmittag musste er sich eingestehen, dass sie es nicht schaffen würden bis zu seinem Ziel, einer Kleinstadt in Michigan. Eine Stadt, wo er Freunde und Familie hatte und einen sicheren Ort kannte, an dem er Leigh unterbringen konnte, bis Rasmussen gefasst war.
    So viel zu seinen Plänen.
    Bei jedem Herzschlag pochte die Wunde schmerzhaft. Dort, wo das Blut getrocknet war, spürte er Stoff an seiner Haut kleben. Vor lauter Schmerz brach ihm der Schweiß aus, was ihn gereizt werden ließ. Er musste einen Ort für eine Pause finden und das Ausmaß der Wunde in Augenschein nehmen. Stellte sich nur die Frage, wo. Sie befanden sich in einer landwirtschaftlichen Region irgendwo im östlichen Kansas, um sie herum nur riesige Felder und Präriegras.
    „Jake, du blutest immer noch. Wir müssen anhalten.“
    Er sah Leigh an, und obwohl er Schmerzen hatte und äußerst gereizt war, brachte ihn ihre Schönheit aus der Fassung. Er konnte verstehen, wieso ein Mann besessen von ihr sein konnte. Sie war Unschuld und Sünde zugleich, und das in einer umwerfenden Verpackung. Doch die Anziehung, die sie auf ihn ausübte, ging viel tiefer als bloße physische Schönheit. Er fühlte sich zu ihrer Seele hingezogen, der Liebenswürdigkeit ihres Herzens, das zu ihmauf einer Ebene gesprochen hatte, die er nicht ansatzweise erklären konnte.
    „Ich weiß“, sagte er. „Noch nicht.“
    „Ich werde hier nicht sitzen und zusehen, wie du das Bewusstsein verlierst.“
    „Ich werde schon nicht bewusstlos, verdammt noch mal.“
    Doch nun, da sie es erwähnt hatte, wusste er, dass sie recht hatte. Jake blickte hinunter auf das Loch in seinem Mantel. Ein beklommenes Gefühl ergriff ihn, als er das frische Blut sah. Sein Mantel hatte sich damit vollgesaugt, und nun tropfte es auf den Sitz. Verdammt. Verdammt. Verdammt!
    „Du kannst eine Schusswunde nicht unbehandelt lassen“, beharrte sie. „Selbst wenn es nur eine kleinere Verletzung ist.“
    „Ich weiß, was ich tun muss“, erwiderte er gereizt. „Lass mich in Ruhe.“
    Kurz nachdem sie die Landesgrenze nach Missouri überquert hatten, bog er in eine kleine Landstraße ein und fuhr rechts ran. Als er das Gewicht verlagerte, um sein Handy aus der Tasche zu holen, konnte er ein gequältes
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