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Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Titel: Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
Autoren: Lion Feuchtwanger
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kommt aus dem Palatin.«
      Josef war aufgestanden. Er hatte Mühe, den andern nicht merken zu lassen, wie sehr ihn die Nachricht aufrührte. Der neue Krieg, der da anrollte, dieser Krieg im Osten, konnte unabsehbare Folgen haben für ihn und für Judäa. Wenn die östlichen Legionen in einen Kampf verwickelt waren, wenn man mit einer Intervention der Parther rechnen durfte, werden dann die »Eiferer des Tages« nicht losschlagen? Werden sie nicht die aussichtslose Erhebung wagen?
      Und da, vor einer Stunde noch, hat er König Saul gerühmt, den Mann, der, den sichern Untergang vor Augen, dennoch in den Krieg geht. Er ist, mit seinen Fünfzig, ein noch größerer Narr und Verbrecher als damals mit Dreißig.
      »Mein Justus, was können wir tun?« sagte er seine tiefe Sorge geradeheraus, die Stimme heiser vor Erregung.
      »Mann, Josef, das wissen doch Sie besser als ich«, antwortete Justus, und er höhnte: »Siebenundsiebzig sind es, die haben das Ohr der Welt, und Sie sind einer von ihnen. Sie müssen sich hören lassen. Sie müssen ein klares Manifest abfassen, das von allen Unüberlegtheiten abrät. Je simpler, um so besser. Das können Sie doch. Sie verstehen sich doch auf die Sprache des gemeinen Mannes, Sie verstehen sich doch auf die großen und billigen Worte.« Seine scharfe Stimme klang besonders unangenehm, die dünnen Lippen verzogen sich, und da war auch wieder jenes peinliche Kichern, das an Josefs Nerven riß.
      Trotzdem ging Josef auf den Hohn des andern nicht ein. »Wie wollen Sie mit Worten aufkommen gegen ein so starkes Gefühl?« fragte er. Und: »Ich möchte ja selber nach Judäa«, brach es aus ihm heraus, »teilnehmen an diesem Aufstand, als was immer, fallen in diesem Aufstand.«
      »Das glaub ich Ihnen«, höhnte Justus, »das könnte Ihnen so passen. Wenn ein Stärkerer einen schlägt, dann schlägt man einfach zurück und reizt ihn so lange, bis er einen totschlägt. Aber wenn die ›Eiferer des Tages‹ eine Entschuldigung haben, Sie haben keine. Sie sind nicht dumm genug.« Und da Josef vor sich hin starrte, hilflos, grimmig, sagte er noch: »Schreiben Sie das Manifest! Sie haben viel gutzumachen.«
      Als Justus gegangen war, setzte sich Josef hin, um seine Mahnung zu befolgen. Es gehöre, schrieb er, viel mehr Mut dazu, sich zu überwinden und den Aufstand zu unterlassen als ihn zu beginnen. Vorläufig, auch wenn der Krieg im Osten ausbräche, gehe es für uns Juden darum, den Staat des Gesetzes und der Bräuche weiter auszubauen und unsere ganze Kraft dieser Aufgabe allein zu widmen. Wir müßten es Gott und der leitenden Vernunft überlassen, die Voraussetzungen zu schaffen dafür, daß dieser Staat des Gesetzes und der Bräuche, das Jerusalem im Geiste, auch seinen sichtbaren Rahmen und Unterbau erhalte, das steinerne Jerusalem. Der Tag sei noch nicht gekommen. Ein zur Unzeit begonnenes, bewaffnetes Unternehmen aber schiebe den Tag nur hinaus, dem wir alle entgegeneiferten.
      Er schrieb. Er versuchte sich vollzusaugen mit Begeisterung für die Vernunft so lange, bis ihm ihr Wasser wie Wein schmeckte, so lange, bis ihm die Sätze, die er verkündete, nicht mehr nur Sache seines Verstandes schienen, sondern Sache seines Herzens. Zweimal mußte der Diener die Kerzen erneuern und das Öl der Lampen, ehe sich Josef mit seinem Konzept zufriedengab.
    Den Abend darauf fanden sich in der Behausung des Josef vier Gäste ein. Da war der Möbelhändler Cajus Barzaarone, Präsident der Agrippenser-Gemeinde, Repräsentant der römischen Judenheit, ein maßvoller, vernünftiger Mann, dessen Name auch in Judäa guten Klang hatte. Da war weiter Johann von Gischala, einmal ein Führer im jüdischen Krieg, ein schlauer und kühner Mann. Jetzt saß er als Terrainhändler in Rom, seine Geschäfte erstreckten sich übers ganze Reich; in Judäa aber war heute noch in den Köpfen der »Eiferer des Tages« die Erinnerung an seine Tätigkeit während des Krieges lebendig. Da war zum dritten Justus von Tiberias. Da war schließlich Claudius Regin, Finanzminister des Kaisers, geboren von einer jüdischen Mutter und gleichwohl nie ein Hehl daraus machend, daß er die Sache der Juden begünstige, ein Mann, der Josefs Bücher verlegt und ihm in allen seinen Nöten geholfen hatte.
      Es mußten unter diesem mißtrauischen Kaiser Domitian Zusammenkünfte ein harmloses Aussehen tragen, um nicht wie Verschwörung zu wirken; denn es gab in beinahe jedem Hause Spitzel des Polizeiministers Norban.
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