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Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Titel: Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
Autoren: Lion Feuchtwanger
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verschachtelten Gemäuer, in der niedrigen Stube unter der verschwärzten Decke, fühlte sie sich zwiefach unbehaglich. Wenn es nach ihr gegangen wäre, dann wäre man längst wieder nach Judäa übersiedelt auf eines von Josefs Gütern.
      Es war jetzt der fünfte Tag, seitdem die Nachricht von dem Einbruch der Daker bekannt geworden war. Josef war inzwischen oft mit Mara zusammen gewesen, er hatte die meisten Mahlzeiten mit ihr geteilt und viel mit ihr gesprochen. Von dem bevorstehenden Grenzkrieg indes war kaum je die Rede gewesen. Wahrscheinlich ahnte Mara nicht, welche Rückwirkungen auf Judäa die Vorgänge an der Donau haben könnten. Sicher aber spürte sie, die mit seinem Wesen bis ins kleinste vertraut war, hinter der Maske seines Gleichmuts seine innere Sorge.
      Wie er jetzt zu ihr hinaufstieg, wunderte er sich, daß er so lange bemüht gewesen war, diese Sorge vor ihr zu verbergen. Sie ist der einzige Mensch, vor dem er sich ganz ohne Scham so zeigen kann, wie er ist. Als die andere es von ihm verlangte, hat sie sich von ihm fortschicken lassen, und sie ist zu ihm zurückgekehrt, als er sie wieder rief. Sie ist da, wenn er sie braucht, und wenn sie ihn stört, löscht sie sich aus. Vor ihr kann er alles heraussagen, seinen Stolz, seine Zweifel, seine Schwäche.
      Er schlug den Vorhang zurück und trat in ihre Stube. Der niedrige Raum war vollgestopft mit Sachen aller Art, selbst von der Decke hingen, nach der Sitte der kleinen Städte Judäas, Körbe herunter mit Lebensmitteln und mit Wäsche. Die Kinder waren um Mara, das Mädchen Jalta und die beiden kleinen Söhne, Matthias und Daniel.
      Josef überließ Tochter und Söhne gerne der Mara, er wußte mit Kindern nicht viel anzufangen. Doch heute wie stets betrachtete er mit einer Art gerührter Verwunderung den Matthias, den dritten seiner Söhne und doch eigentlich seinen ältesten, denn Simeon war tot und Paulus für ihn mehr als tot. An diesen seinen Sohn Matthias aber knüpfte Josef neue Hoffnungen und Wünsche. Deutlich waren in dem Kleinen Züge des Vaters, deutlich Züge der Mutter, aber die Mischung ergab ein völlig Neues, Vielversprechendes, und Josef hoffte, in diesem Matthias werde er sich vollenden können, der werde erreichen, was er selber nicht hatte erreichen können: Jude zu sein und gleichzeitig Grieche, ein Weltbürger.
      Da also saß die Frau, arbeitete mit Hilfe einer Leibeigenen an einem Gewandstück und erzählte den Kindern eine Geschichte. Josef bat sie durch Zeichen, sich nicht stören zu lassen. So schwatzte sie denn weiter, und Josef sah, daß es ein frommes, etwas albernes Märchen war. Es handelte von dem Fluß, dessen Sprache jene Menschen verstehen, welche die wahre Gottesfurcht haben; der Fluß berät sie, was sie tun sollen und was lassen. Es ist ein schöner Fluß, und er fließt in einem schönen Land, in ihrem Heimatland Israel, und einmal wird sie mit den Kindern hingehen, und wenn die Kinder ordentlich sind, dann wird der Fluß auch mit ihnen reden und sie beraten.
      Josef beschaute Mara, während sie erzählte. Sie war mit ihren Zweiunddreißig voll geworden und schon ein wenig verblüht. Von dem mondlich Strahlenden ihrer ersten Jugend war nichts mehr da, keine Gefahr mehr war, daß heute ein Römer sie frech für sein Bett fordern werde wie damals der alte Vespasian. Allein für Josef war sie immer noch, was sie ihm früher gewesen, ihm blieb ihr eirundes Gesicht zart und klar, ihm schimmerte ihre niedrige Stirn wie damals.
      Mara hatte aufgeleuchtet, als sie ihn kommen sah. Sie hatte die ganzen letzten Tage über gemerkt, daß ihn etwas drückte, und darauf gewartet, daß er mit ihr spreche. Gewöhnlich sprach er griechisch mit ihr, aber wenn er sich ihr nahe fühlte und es um Wichtiges ging, dann sprach er aramäisch, die Sprache der Heimat. Gespannt jetzt, nachdem sie die Kinder fortgeschickt, wartete sie darauf, in welcher Sprache er sie anreden werde.
      Und siehe, er spricht aramäisch. Er ist nicht mehr der Mann von ehemals, sein Gesicht ist faltig, der Bart nicht mehr sorgfältig gelockt und gekräuselt, er ist ein Mann von fünfzig Jahren, man sieht ihm an, daß er viel erlebt hat. Auch hat er ihr viel Leides zugefügt, und ganz verwunden hat sie es nie. Trotz alledem aber geht für sie auch heute noch das Leuchten von ihm aus, das früher um ihn war, und sie ist voll großen Stolzes, daß er zu ihr spricht.
      Er spricht ihr von der Zusammenkunft mit den andern und von seiner
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